31 Die außerordentliche Thronfolge. 187
Unter diesen angeblichen außerordentlichen Sukzessionsgründen
lommen in erster Linie in Betracht die sogenannten Erbverbrüde—
rungens). Diese Erbverbrüderungen tauchen unter dem hohen Adel
im 14. Jahrhundert ziemlich zahlreich auf. Ihr juristischer Charakter
besteht darin, daß nicht einzelne Personen, wie bei den gewöhnlichen
Erbverträgen, sondern ganze fürstliche Familien sich ihre Besitzungen
Vanz oder teilweise für den Fall zuwenden, daß eine von ihnen
erlöschen sollte. Nachdem verschiedene, von dem brandenburgischen
Hause abgeschlossene Erbverbrüderungen, insbesondere die mit den
piastischen Fürsten von Liegnitz, Brieg und Wohlau ihre Erledigung
gefunden haben, wird gegenwärtig noch eine fortdauernde Bedentung
beigemessen der Erbverbrüderung zwischen den Häusern Sachsen, Hessen
und Brandenburgs). Diese wiederholt ernenerte Erbverbrüderung
wurde zuerst 1373 zwischen Sachsen und Hessen geschlossen, während
Brandenburg am 29. April 1457 zu Nürnberg beitrat, aber auch bei
den späteren Erneuerungen, der letzten im Jahre 1614, zugezogen wurde).
Nach dieser Erbverbrüderung, wie sie mit dem Zutritte Bran-
denburgs eingegangen wurde, ist das gegenseitige Erbverhältnis folgen-
dermaßen geordnet. Beim Aussterben Hessens erhält Sachsen zwei
Drittel, Brandenburg ein Drittel der hessischen Lande, beim Aus-
sterben Sachsens Hessen zwei Drittel einschließlich der Kurwürde,
Brandenburg ein Drittel. Sollte Brandenburg aussterben, so teilen
sich in sein Gebiet Sachsen und Hessen zu gleichem Rechte, d. h. jeder
erhält die Hälfte, doch soll Hessen die brandenburgische Kurwürde
zufallen.
Während die Rechtsgültigkeit dieser Erbverbrüderung, soweit es
sich um Sachsen und Hessen handelte, allseitig anerkannt wurde, zog
die Reichspublizistik sie bezüglich Brandenburgs in Zweifel, da nach
dessen Zutritte eine kaiserliche Bestätigung nicht erfolgt sei. Diesen
Bedenken gegenüber machte namentlich Pütter darauf aufmerksam,
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2) Vgl. Beseler, Die Lehre von den Erbverträgen, Göttingen
1835 fs., Bd. 2, Abt. 2, und die dort angegebene Literatur.
5) Vgl. besonders J. J. Moser, Familienstaatsrecht, Teil I,
S. 1017; Weiße, Sächsisches Staatsrecht, 1824 ff., Bd. 1, S. 81;
Pütter, HPrimac lincae § 59; E. Löning, Die Erbverbrüderungen
zwischen den Häusern Sachsen, Brandenburg und Hessen, Frankfurt
a. M. 1867.
4) Die Erbverbrüderungen von 1373 und 1614 sind abgedruckt bei
H. Schulze, Hausgesetze, Bd. 2, S. 30 ff.