188 Das Verfassungsrecht. 8 31
daß eine allgemeine kaiserliche Bestätigung aller früheren Erbver-
brüderungen zu sehen sei in der Wahlkapitulation Kaiser Leopolds I.
von 1658, Art. 6, wo es heißt: „Wie Wir dann auch die vor diesem
unter ihnen den Reichsconstitutionibus gemäß gemachte uniones,
gleichergestalt zuförderst aber die unter Kurfürsten, Fürsten und
Ständen aufgerichteten Erbverbrüderungen hiermit consirmiren und
approbiren.“ In der Tat erledigt sich durch diese ganz allgemeine
kaiserliche Bestätigung der aus dem früheren Reichsrechte gegen die
Rechtsgültigkeit der Erbverbrüderung erhobene Zweisel.
Dagegen stehen ihr vom Standpunkte des heutigen preußischen
Staatsrechtes zwei Gründe entgegen, welche die fortdauernde Wirk-
samkeit der Erbverbrüderung ausschließen. Die Erbverbrüderung setzt
nach Aussterben des brandenburgischen Hauses Teilung seiner Lande
zwischen Sachsen und Hessen fest. Verfassungsmäßig ist jedoch die
preußische Monarchie ein Einheitsstaat, kann also niemals geteilt
werden. Es mag hier davon abgesehen werden, daß die Rechtsfrage
vom sächsischen und hessischen Standpunkte aus ähnlich liegt, da auch
diese Staaten sich inzwischen verfassungsmäßig zu unteilbaren Ein-
heitsstaaten entwickelt habens). Jedenfalls liegt hinsichtlich der Erbver-
brüderung vom preußischen Standpunkte Unmöglichkeit der Erfüllung,
nämlich der Teilung des Staatsgebietes unter zwei Häuser, vor).
*!) Beim Aussterben des sächsischen Hauses könnte vielleicht ein Aus-
kunftsmittel gesunden werden. Das Haus Wettin herrscht durch seine
verschiedenen Linien gegenwärtig in fünf deutschen Staaten. Da die
sächsischen Gebiete an Preußen und Hessen erst nach vollständigen Aus-
sterben des Hauses Wettin anfallen könnten, so würde der letzte Wettiner
fünf verschiedene Staaten durch Personalunion unter seiner Herrschast
vereinigt haben. Es könnte also Preußen in einigen sächsischen Herzog
tümern, Hessen in den übrigen sächsischen Staaten nachsolgen. Doch ist
anzunehmen, daß mit der Unmöglichkeit der Erfüllung eines Vertrages
auf der einen Seite der ganze Vertrag hinfällig wird. Ueberhaupt steht
diese ganze Erbverbrüderung so sehr im Widerspruche mit den obersten
Grundsätzen des heutigen Staatsrechtes, ist derart verwachsen mit einer
gegenwärtig praktisch undurchführbaren patrimonialen Staatsanschanung,
daß sie für das heutige preußische Staatsrecht nur noch als eine ge
schichtliche Erinnerung in Betracht kommen kann.
6) Die Unzulässigkeit jeder Thronfolge, welche nicht Individnal
sukzession ist und daher eine Landesteilung erfordern würde, weist nach
dem gegenwärtigen deutschen Staatsrechte wesentlich unter Hervorhebung
derselben Gesichtspunkte wie der oben im Terte angeführten nach
v. Gerber in dem unter §5•27 zitierten Aussatze.