§ 34 Fälle der Regentschaft. 203
Verhinderung ist nur die rechtliche Handlungsunfähigkeit. Welche Ur-
sachen diese absolute Handlungsunfähigkeit begründen, ist eine Frage
der Gesetzesanwendung auf den einzelnen Fall. Zweifellos gehört
hierhier außer der gesetzlich als Hinderungsgrund anerkannten Minder-
jährigkeit Geisteskrankheit des Herrschers, aber auch Kriegsgefangen-
schaft, sowie jedes schwere körperliche Leiden, welches den Herrscher
handlungsunfähig macht.
Als dauernde Verhinderung ist auch der in der Verfassungs-
urkunde nicht erwähnte Fall aufzufassen, daß beim Tode des Königs
noch die Geburt eines Agnaten zu erwarten ist, dem als dem nächsten
Thronberechtigten die Krone zufallen würde. Unzweifelhaft ist der
noch zu erwartende König dem bereits geborenen minderjährigen Könige
gleichzustellen, so daß also eine Regentschaft einzutreten hätte. Bedenken
könnte nur der Umstand erregen, daß möglicherweise demnächst kein
König geboren wird. Es sind hier zwei Möglichkeiten denkbar. Ent-
weder der nach dem Embryo nächstberechtigte Agnat übernimmt die
Regierung als König, hat sie aber niederzulegen, sobald ein König
geboren wird, und nur als Regent weiter zu regieren, oder er über-
nimmt die Regierung als Regent, sie wird aber von Ansang an
Nach rückwärts hin als Königsherrschaft betrachtet, salls kein König
Deboren wird. Wenn man sich gegen den letzteren Ausweg erklärt
hat, weil eine Rückdatierung des Regierungsantritles unmöglich seie,
so übersieht man, daß die andere Möglichkeil, die Königsherrschaft des
nächsten Agnaten, während ein ihm vorgehender Agnat wenigsten-
als Embryo vorhanden ist, vollkommen versassungswidrig erscheint.
Ueberdies steht es im Widerspruche mit dem monarchischen Prinzipe,
die Königsherrschaft gegen den Willen des Königs zeitlich zu beschränken.
Dagegen erheben sich bei der Nückdatierung der Herrschaft keinerlei
rechtliche Bedenken. Es sind vielmehr alle Regierungsmaßregeln, die
der vermeintliche Regent im Namen des Königs ausgeübt hatte, ale
im eigenen Namen vorgenommene Negierungshandlungen zu be-
ltrachtens). Der Thronanfall an einen Embryo kann daher niemals
etwas anderes als die Einsetzung einer Regentschaft zur Folge haben.
2) v. Kirchenheim, Regeutschaft, S. 66.
3) Entsprechender Fall bei bestrittener Thronfolge in Lippe 1905.
Der Regent erwies sich hier tatsächlich als der berechtigte Fürst.