Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

* ½ Wesen der Regentschaft. 207 
unter die Gebote des Herrschers. Nicht dem abstrakten Herrscher- 
kechte, sondern deren fortlaufenden Betätigung ist der Untertan 
unterworfen. Diese sortlaufende Betätigung, die Ausübung der Herr- 
schaft, geht nun von dem Regenten aus. Das Subjekt kann aber 
nicht gleichzeitig Objelt sein. Es könnte höchstens durch eine Fiktion 
azu werden, und zu einer solchen Fiktion sehlt jede gesetzliche Grund- 
lage. Der Regent ist also weder Herrscher noch Untertan. 
Seinc eigentliche Rechtsstellung ergibt sich aus dem Wesen der 
Staatspersönlichkeit. Der Staat ist Herrscher. Herrschaft ist aber 
ätigkeit, sie ist undenlbar als rein abstraktes ruhendes Recht. Die 
usübung der Herrschaft ist dem Staatsbegrifse ebenso wesentlich wie 
as Herrscherrecht selbst. Herrscher und Regent vertreten also nur 
öbei Seiten derselben Staatspersönlichkeit, die begrifflich zusammen- 
VLehören, aber bei der Unvollkommenheit des menschlichen Organismus 
beitweise auf verschiedene Menschen übertragen werden müssen. Der 
legent ist also slaatsrechtlich mit dem Herrscher nur eine und dieselbe 
Person, die Staatspersönlichkeit. 
Hieraus ergibt sich, daß der Regent bei Ausübung der Herr— 
schaft dieselben Rechte genießt wie der König selbst. Insbesondere 
steht ihm auch die persönliche Unverautwortlichkeit zu. Der Allerhöchste 
Erlaß vom 7. Oktober 18586) sorderte daher den bisherigen Stell- 
bertreter des Königs, den Prinzen von Preußen, auf, „so lange, bis 
der König die Pflichten seines königlichen Amtes wiederum selbst 
werde ersüllen können, die königliche Gewalt in der alleinigen Ver- 
antwortlichkeit gegen Gott, nach bestem Wissen und Gewissen als 
cgent auszuüben und hiernach die weiteren Anordnungen zu treffen“. 
Der Allerhöchste Erlaß sah also gerade in der Unverantwortlichkeit 
en charakteristischen Unterschied der Regentschaft von der bloßen Stell- 
vertretung. Daß jedoch alle Herrscherbefugnisse des Regenten keine 
eigenen, sondern fremde sind, kommt dadurch zum Ausdrucke, daß er 
alle dem Könige zustehenden Negierungsrechte nur in dessen Namen 
ausübt:). Dagegen geht die Ausübung derjenigen königlichen Rechte 
nicht auf den Regenten über, welche nicht in Beziehung stehen zu 
der Ausübung der königlichen Gewalt, sondern nur persönliche Ehren- 
cchte des Königs sind. Diese verbleiben, als mit der Regierungs- 
2) G..S. 1858. S. 537. 
7) Art. 58 V.-I.: „Der Regent übt die dem Könige zustehende 
Gewalt in dessen Namen aus.“
	        
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