210 Das Verfassungsrecht. g 36
des Regenten für den Begriff der Regentschaft wesentlich noch aus
diesem Begriffe herzuleiten ist.
§ 36. Berufung zur Regentschaft.
Die jetzigen Bestimmungen der Verfassungsurkunde über die Be-
rufung zur Negentschaft haben erst nach verschiedenen gesetzgeberischen
Versuchen ihre gegenwärtige Gestalt erhalten. Die in so mannigfachen
Beziehungen für die preußische Verfassungsurkunde als Vorbild die-
nende belgische Verfassung läßt in allen Fällen den Regenten durch
Wahl der zu einer Versammlung vereinigten Kammern bestellen. Und
zwar treten diese bei Minderjährigkeit des Königs ohne Berufung,
bei dessen sonstiger Regierungsunfähigkeit auf Bernsung der Minister,
die vorher die Unfähigkeit festzustellen haben, zusamment). Während
der preußische Regierungsentwurf einer Verfassungsurkunde die Be-
stimmungen über die Regentschaft einem besonderen Gesetze vorbehalten
wollte, schloß sich der Kommissionsentwurf der prenßischen National-
versammlung Art. 41, 42, 43 fast Wort für Wort an die belgische
Versassung an. Die Regentschaft des nächsten Agnaten war diesem
Entwurfe noch fremd. Die Wahl des Regenten stand einzig und allein
den Kammern zu, deren Berufung in derselben Weise erfolgte wie
nach der belgischen Verfassung. Die oktroyierte Versassungsurkunde
vom 5. Dezember 1818, Art. 54—56, behielt zwar die Beslimmung
bei, daß bei Minderjährigkeit des Königs die Kammern sich selbst
versammelten, bei dessen sonstiger Regierungsunfähigleit wurde jedoch
die Berufung nicht dem Staatsministerium, sondern dem nächsten
1) Conslitution belge: „Art. 81. Si, à la mort du roi, son successeiu
est mincur, les deux chambres se réunissent en unc scule assembléc, à Vessct
de pourvoir à la régence ct à la tutelle. — Art. 82. Si le roi se trouvc
dans U’impossibilitc de rögner, les ministres, après avoir fait constater celtc
impossibilitc, convoqucnt immediatement les chambres. II est pourvu à la
tutelle ct à la réegencc par#les chambres réunies. — Art. 83. La régencc ne
Deut eire confercc qu'à une scule personne. Le régent mientre en sonctions
u'apres avoir prelè le serment prescrit par larticke 80. — Art. 84. Aucun
changement à lla constitution ne peut eire lait pendant une régencc.“
Im Vergleiche mit diesen Bestimmungen sind die der jetzigen
preußischn V.-U. eine ganz erhebliche Verbesserung, obwohl sie immer
noch in manchen Beziehungen den Stempel des übereiligen Zustande-
bringens tragen.