Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

l 6 Berufung zur Regentschast. 211 
Agnaten zur Pflicht gemacht. Der nächste Agnat hatte jedoch kein 
endgültiges Recht auf Führung der Regentschaft, vielmehr lag ihre 
Anordnung einzig und allein den Kammern ob. Erst aus der Tätig- 
keit der Revisionskammern gingen die jetzigen Bestimmungen hervor, 
nach denen die Regentschaft des nächsten Agnaten die Regel bildet, 
und nur in Ermangelung eines solchen die Bestellung des Regenten 
durch den auf Berufung des Staatsministeriums zusammentretenden 
Landtag erfolgt. 
Zur Regentschaft berechtigt ist derjenige volljährige Agnat, welcher 
der Krone am nächsten stehte). Das Recht auf die Regentschaft ist 
daher bedingt durch zwei Erfordernisse, durch das nächste Recht auf 
die Krone und durch die Volljährigkeit. Die Regentschaft hat das- 
jenige männliche Mitglied des königlichen Hauses zu übernehmen, 
welches nach dem Tode des derzeitigen an der Regierung verhinderten 
Königs zur Thronfolge berechtigt sein würde. Es entscheidet also die 
Vesetzliche Thronfolgeordnung. Erforderlich ist nach den Worten der 
Verfassungsurkunde fernerhin nur, daß dieser Agnat volljährig ist. 
Dieses Erfordernis der Volljährigkeit hebt aber nur eine einzelne 
Voraussetzung der Regierungsfähigkeit hervor. Als ein nicht aus- 
drücklich ausgesprochenes, aber selbstverständliches Erfordernis muß es 
gelten, daß der Agnat nicht selbst an der Regierung dauernd ver- 
hindert ist, wobei der Begriff der dauernden Verhinderung des Agnaten 
ebenso aufzufassen ist wie die des Königss). Das Erfordernis der 
Volljährigkeit des nächsten Agnaten ist also extensiv auszulegen als 
Erfordernis der Regierungsfähigkeit. An die Stelle des nächsten, aber 
regierungsunfähigen Agnaten des Königs tritt der demnächst berechtigte 
regierungsfähige Agnat. Maßgebend für das Recht auf die Regent- 
schaft sind also zwei Gesichtspunkte, die Thronfolgeordnung und die 
Regierungsfähigkeit. Das Recht auf die Regentschaft richtet sich nach 
der Thronfolgeordnung unter der Voraussetzung der Regierungs- 
fähigkeit. 
Es könnte sich nur fragen, ob der nächste Agnat, welcher zur 
Beit des Eintritts der Regentschaft regierungsunfähig, z. B. minder- 
lährig war, aber während der Dauer der Regentschaft des demnächst 
2) Art. 50 V.-U. 
3) Dieser Fall lag z. B. in Bayern vor, als Prinz Lnitpold 
*W( die Regentschaft für König Ludwig II. übernahm, da der nächste 
Onat des Königs, dessen Bruder Prinz Otto, ebenfalls geisteskrank war. 
14“ 
 
	        
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