Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

d 36 Berufung zur Regentschaft. 217 
nur einen von den Kammern gewählten Regenten und bis zu dieser 
Vahl eine provisorische Regentschaft des Staatsministeriums kennt, 
läht den gewählten Regenten die Regentschaft erst nach der Eides— 
leistung übernehmen. Bis dahin bleibt naturgemäß die vorläufige 
Regentschaft des Staatsministeriums bestehen. Hiermit in Ueberein- 
timmung befand sich der Kommissionsentwurf der preußischen Na- 
tionalversammlung. Die oktroyierte Verfassungsurkunde vom 5. De- 
zember 1848, welche außer bei Minderjährigkeit des Königs, wo die 
Kammern sich selbst versammelten, an Stelle der provisorischen Regent- 
chaft des Staatsministeriums die des nächsten Agnaten aufnahm, 
konnte die Uebernahme der Regentschaft nicht mehr abhängig machen 
von der Eidesleistung im Schoße der Kammern. Denn in dem Akte 
der Berufung lag bereits eine Regentenhandlung. Folgerichtig ver- 
langt daher Art. 66 der oktroyierten Verfassungsurkunde nicht, daß 
der Regent den Eid „vor“, sondern daß er ihn „bei“ Antretung 
der Regentschaft leiste. Nachdem bei der Revision die Kommission der 
zweiten Kammer den Bestimmungen über die Regentschaft im all- 
gemeinen die jetzige Fassung gegeben hatte, fügte der Zentralausschuß 
der ersten Kammer den Satz betreffs der Verantwortlichkeit des ge- 
samten Staatsministeriums bis zur Eidesleistung ein, und in dieser 
Form wurden die Bestimmungen über die Regentschaft schließlich Gesetz. 
Damit ist jedoch in die Bestimmungen über die Regentschaft ein 
unlöslicher Widerspruch hineingetragen worden. Eine Suspension des 
legierungsrechtes des Regenten zugunsten des Staatsministeriums, 
le jedenfalls beabsichtigt war, ist damit nicht ausgesprochen. Wenn 
der nächste Agnat bereits vor der Beschlußfassung des Landtages über 
ie Notwendigkeit der Regentschaft lediglich infolge ihrer einseitigen 
Uebernahme als Regent angesehen werden muß und als solcher alle 
Regierungshandlungen vornehmen kann, so ist dies erst recht der Fall, 
nachdem der Landtag die Notwendigkeit der Regentschaft anerkannt, 
aber der Regent noch nicht den Verfassungseid geleistet hat. Wie 
aus der gesetzlich festgestellten Verantwortlichkeit des bestehenden ge- 
amten Staatsministeriums geschlossen werden kann, der Regent dürfe 
bis zur Eidesleistung keinen Wechsel des bestehenden, d. h. von dem 
egierungsvorgänger eingesetzten Ministeriums vornehmenis), ist völlig 
unerfindlich, da der Regent von Uebernahme der Regentschaft an die 
— 
— 
.— 
153) So H. Schulze, Pr. St.-R., Bd. 1, S. 212.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.