Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

887 Das Aufhören der Regentschaft. 219 
Damit käme man zu dem Ergebnisse, daß die Leistung oder 
Nichtleistung des Verfassungseides seitens des nächsten Agnaten als 
Regenten ebenso wie die des Königs ohne jede staatsrechtliche Be- 
deutung und die Verfassungsbestimmung, welche die Eidesleistung vor- 
schreibt, rein instruktioneller Natur ist. Dagegen ist das Regierungs— 
recht des gewählten Regenten bis zur Eidesleistung suspendiert, so 
daß die vorläufige Regentschaft des Staatsministeriums bis zu diesem 
Zeitpunkte fortdauert. Die Weigerung des gewählten Regenten, den 
Eid zu leisten, muß als Verzicht auf die Regentschaft selbst angesehen 
werden. 
§ 37. Das Aufhören der Regentschaft. 
Die Regentschaft wird notwendig durch die Herrschaft einro 
regierungsunfähigen Königs. Sobald der Grund der Regentschaft 
fortfällt, hört diese selbst von Rechts wegen auf. Die Regentschaft 
wird daher beendet durch das Aufhören der Regierungsunfähigkeit 
des Königs. Die Regierungsunfähigkeit beruht auf Minderjährigkeit 
oder sonstiger dauernden Behinderung. Am einfachsten ist der Weg- 
sall des Grundes für die Regentschaft bei Minderjährigkeit des Königs 
festzustellen. Sobald der König das verfassungsmäßige Alter der Voll- 
jährigkeit erreicht, hört die wegen Minderjährigkeit des Königs bisher 
bestandene Regentschaft auf, ohne daß es einer weiteren Rechts- 
handlung bedürfte, und der König tritt die Regierung selbst ant). 
— 
1) Die Ansicht v. Rönnes, Bd. 1, S. 186, N. 1, eine Ver— 
längerung der Regentschaft über diesen Termin hinaus sei zulässig, wenn 
eine väterliche Disposition einen anderen als den hausgesetzlichen Termin 
der Volljährigkeit angeordnet hätte, oder wenn der Thronfolger mit der 
erlängerung der Regentschaft einverstanden wäre, und die Kammern 
dies genehmigten, erscheint unzutreffend. Hat der König die Volljährig- 
eit erreicht, so liegt keine dauernde Behinderung im Sinne der Ver- 
fassungsurkunde, und damit kein Grund zur Regentschaft vor. Eine 
Herausschiebung des versassungsmäßig seststehenden Großjährigkeits- 
termines durch väterliche Disposition ist aber unzulässig, da eine solche- 
einseitige Disposition keinen Artikel der Verfassungsurkunde außer 
Kraft setzen kann. Zulässig ist allerdings die Hinausschiebung 
des Großjährigkeitstermines entweder allgemein oder für einen 
einzelnen Fall durch ein Verfassungsgesetz. Dieses bedarf aber, 
wenn es während der Dauer der Regentschaft ergeht, nicht 
der Zustimmung des nach dem geltenden Rechte noch regierungs- 
unfähigen Königs. Entgegengesetzt v. Rönne-Zorn, Pr. St.-R., 
Vd. 1, S. 240 N. 3.
	        
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