228 Das Verfassungsrecht. g 38
Verpflichtung zuwiderhaudelt, kann der König ihm jederzeit die Stell-
vertretung entziehen. Hierdurch verwirklicht sich die politische Ver-
antwortlichkeit des Vertreters. Seine rechtliche Verantwortlichkeit
kommt zur Geltung, sobald er irgend welche gesetzwidrigen Hand-
lungen bei Ausübung der Regierungsgeschäfte begeht. Die Frage, wem
der Vertreter verantwortlich ist, dem Könige oder dem Landtage, kann
cigentlich nur in einem ständisch-patrimonialen oder parlamentarischen
Staate aufgeworfen werden. Das preußische Staatsrecht kennt eine
politische Verantwortlichkeit, d. h. eine Verantwortlichleit für die Zweck-
mäßigkeit der Amtshandlungen nur gegenüber dem Könige bzw. den
Organen seiner Regierung, eine Verantwortlichkeit für die Gesetzmäßig-
keit der Amtshandlungen nur gegenüber dem Könige als Inhaber der
Justizgewalt, d. h. gegenüber den Gerichten. Hiernach richtet sich auch
die Verantwortlichkeit des Stellvertreters.
Zweifelhaft könnte nur erscheinen, ob die Verantwortlichkeit des
Stellvertreters des Monarchen nicht im Widerspruche steht mit der
verfassungsmäßig ausgesprochenen Verantwortlichkeit der Minister. Das
Fortbestehen der Ministerverantwortlichleit unter der Regierungsstell-
vertretung ist dadurch gesichert, daß, wie jeder Regierungsakt des
Königs zu seiner Gültigkeit der Gegenzeichnung eines Ministers bedarf,
so auch kein Regierungsakt des Stellvertreters für den König ohne
ministerielle Gegenzeichnung Anspruch auf rechtliche Anerkennung hat.
Nimmt man eine besonders geregelte Ministerverantwortlichkeit an, wie
sie die Verfassungsurkunde Art. 61 beabsichtigte, so steht zweifellos
dieser Ministerverantwortlichkeit nicht entgegen, daß außer den
Ministern auch noch der Stellvertreter des Königs nach gemeinem
Rechte verantwortlich ist. Hat dagegen die Verantwortlichkeit der
Minister wie nach dem geltenden preußischen Staatsrechte denselben
Charakter wie die aller anderen Untertanen, so kommt ebenfalls die
Mitverantwortlichkeit des Stellvertreters für die Ministerverant-
wortlichleit nicht in Betracht. Diese wird also durch die Regierungs-
stellvertretung in keiner Weise berührt.
Die Stellvertretung erlischt außer durch Tod des Stellvertreters
und Rücknahme der Stellvertretungsbefugnis durch den Tod, die Ab-
dankung oder die Regierungsunfähiglkeit des vertretenen Königs. Zwar
ist der Stellvertreter ein Organ der Herrschaft gleich jedem Beamten.
Aber im Gegensatze zu anderen Beamten hat er dem Herrscher sonst
persönlich obliegende Handlungen vorzunehmen. Wenn ein König
hierin die Vertretung einem anderen übertrug, so spricht die Ver-