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5. B. ihre Stimmenzahl im Bundesrate, eine anderweitige Regelung
erfahren soll.
Wird ein bisher außerhalb des preußischen Staatsverbandes
stehender Gebietsteil ihm durch Gesetz einverleibt, so tritt unmittelbar
mit der staatsrechtlichen Vereinigung, da das materielle Verfassungs-
recht nicht für die einzelnen Teile des Gebietles eines Einheitsstaates
verschieden sein kann, das materielle preußische Verfassungsrecht für
das neue Gebiet in Kraft, ohne daß es eines ausdrücklichen Aktes
der Gesetzgebung bedürfte. Der übrige Rechtszustand des betreffenden
Gebietes bleibt dagegen unverändert, bis eine ausdrückliche gesetzliche
Bestimmung ergeht.
Eine Ausnahme hat jedoch die Kabinettsorder vom 29. März
1837°) für die bei Grenzregulierungen dem preußischen Staate zu-
fallenden Gebiele festgesetzt. Diese bestimmt, daß
a) in allen Fällen, in denen die Grenzregulierung nur verdunkelte
und ungewisse Grenzen festgestellt hat, die preußischen Gesetze, Ver-
ordnungen und Vorschriften, die in demjenigen Gerichtsbezirke gelten,
dem die bisher streitigen Gebietsteile endgültig überwiesen sind, auch
in diesen letzteren durch die ursprüngliche Verkündigung für eingeführt
zu achten;
b) dagegen in denjenigen Gebietsteilen, welche seit Einführung
der preußischen Gesetzgebung in die neu= und wiedereroberten Pro-
vinzen infolge abgeschlossener Grenzregulierungsrezesse an Preußen neu
abgetreten worden, die preußischen Rechtsvorschriften, sosern sie nicht
bereits vorher eingeführt, vom 1. Juli 1837 angewandt werden sollen;
c) nach den zu a und b gedachten Grundsätzen auch künftighin
zu verfahren ist, wobei die Bestimmung des Zeitpunktes des Inkraft-
tretens der preußischen Gesetzgebung den Ministern des Innern und
der Justiz überlassen bleibt.
Die fortdauernde Geltung dieser Kabinettsorder, welche in der
Gesetzsammlung verkündet ist und daher als Gesetz gilt, wird mit
Unrecht bezweifeltto). Der dagegen geltend gemachte Grund, daß die
Kabinettsorder in den neuen Landesteilen nicht verkündet ist, trifft
nicht zu, da die Kabinettsorder den Charakter eines materiellen Ver-
9) G.-S. 1837, S. 71.
10) S. z. B. v. Rönne, Pr. St.-R., Bd. 1, S. 146; bloß zweifel-
haft v. Rönne-Zorn, Bod. 1, S. 199.