8 44 Erwerb der Reichs= und Staatsangehörigkeit. 265
I. Die familienrechtlichen Begründungsarten sind die Geburt, die
Legitimation und die Verheiratung.
1. Die Geburt ist die regelmäßige familienrechtliche Form des
Erwerbes. Diese Begründungsart ist nicht nur so natürlich, sondern
auch so häufig, daß ihr gegenüber alle anderen Begründungsarten
als vereinzelte Erscheinungen in den Hintergrund treten. Die Reichs-
und Staatsangehörigkeit entsteht daher durch die Abstammung, ohne
daß es eines besonderen Aktes der Staatsgewalt bedarf. Eheliche
Kinder eines Deutschen erwerben durch die Geburt die Staatsange-
hörigkeit des Vaters, uneheliche Kinder einer Deutschen die der Mutter
(§ 3). Ob oder wann eine Ehe vorliegt, oder die Kinder als eheliche
zu betrachten sind, ist eine rein privatrechtliche Frage, die nur als
Inzidentpunkt in das Staatsrecht hinüberspielt und deshalb hier nicht
zu erörtern ist. Jedenfalls müssen Kinder aus einer nichtigen Ehe
als uneheliche betrachtet werden. Dagegen haben die Kinder aus
Putativehen die Rechte der ehelichen. Diese privatrechtliche Folgerung
muß auch für das öffentliche Recht anerkannt werdens).
Der Ort der Geburt ist gleichgültig. Die im Inlande geborenen
ehelichen Kinder eines Vaters, der nicht Deutscher und Preuße ist,
erwerben daher nicht die inländische Staatsangehörigkeit, ebensowenig
die unehelichen Kinder einer nicht deutschen und nicht preußischen
Mutter. Andererseits werden aber auch die im Auslande geborenen
Kinder von Inländern Deutsche und Preußen. Da einige ausländische
Staaten dem Orte der Geburt ein entscheidendes Gewicht für die
Frage der Staatsangehörigkeit beilegen"), so sind hier Kollisionen
möglich, indem verschiedene Staaten dieselbe Person als ihren Unter-
tanen in Anspruch nehmen können. Diese Kollisionsfälle gehören
jedoch dem Völkerrechte an.
2. Die Legitimation ist dem Erwerbe der Staatsangehörigkeit
durch die Geburt am engsten verwandt. Da sie nur dazu bestimmt
ist, alle Folgen der unehelichen Geburt für den Vater wie für das
Kind aufzuheben, so bewirkt die Legitimation eine Fiktion, daß das
Kind von Anfang an als eheliches geboren sei. Diese Fiktion bleibt
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5) So Seydel in Hirths Annalen 1876, S. 137, N. 1. Ich
selbst habe in der 1. Aufl. die entgegengesetzte Ansicht vertreten.
4) Für das englische Recht vgl. Blackstone, Commentarics I, chap. 10,
für das französische Recht Code civil art. 0.