Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

§ 44 Erwerb der Reichs= und Staatsangehörigkeit. 275 
Kommunaldienst ausgenommenen Ausländer oder Angehörigen eines 
anderen Bundesstaates vertritt die Stelle der Naturalisationsurkunde 
bzw. Aufnahmeurkunde, sofern nicht ein entgegenstehender Vorbehalt 
in der Bestallung ausgedrückt wird. Ist die Anstellung eines Aus- 
länders im Reichsdienste erfolgt, so erwirbt der Angestellte die Staats- 
angehörigkeit in demjenigen Bundesstaate, in welchem er seinen dienst- 
lichen Wohnsitz hat (8 9). 
Die Aufnahme bzw. Naturalisation vollzieht sich stillschweigend 
durch die Bestallung. Diese ist kein selbständiger Erwerbsgrund der 
Staatsangehörigkeite::), sondern lediglich eine stleschweigende Ver- 
leihung. Es müssen daher alle für die ausdrückliche Verleihung maß- 
gebenden Rechtsgrundsätze auch für die stillschweigende durch Be- 
stallung maßgebend sein. Wer im einzelnen Falle als Beamter zu 
betrachten ist, ist eine aus dem Beamtenrechte zu entscheidende Frage. 
Jedenfalls gehören dazu nicht die königlichen Hofbeamtensz). 
Da die im Reichsdienste angestellten Personen die Staatsange- 
hörigkeit in dem Bundesstaate erwerben sollten, in dem sie ihren 
dienstlichen Wohnsitz hatten, so enthielt das Gesetz eine Lücke bezüg- 
lich derjenigen Reichsbeamten, deren Wohnsitz im Auslande belegen 
war. Das naturgemäße Verhältnis wäre gewesen, daß diese Personen 
durch ihre Bestallung die Reichsangehörigkeit ohne Staatsangehörigkeit 
erwarben. An der notwendigen Verbindung beider mit einander glaubte 
man jedoch festhalten zu müssen, obgleich der Grundsatz schon gleich 
nach Erlaß des Gesetzes durch den Erwerb Elsaß-Lothringens durch- 
löchert war. Das Reichsgesetz betreffend die Naturalisation von Aus- 
ländern, welche im Reichsdienste angestellt sind, vom 20. Dezember 
187624), schlug daher einen anderen Weg ein. Hiernach darf Aus- 
ländern, welche im Reichsdienste angestellt sind, ein Diensteinkommen 
aus der Reichskasse beziehen und ihren dienstlichen Wohnsitz im 
Auslande haben, die Naturalisationsurkunde von demjenigen Bundes- 
staate, in welchem sie die Verleihung der Staatsangehörigkeit nach- 
suchen, nicht versagt werden. Damit ist jedoch für die betreffende 
Klasse von Reichsbeamten ein ganz anderer Grundsatz betreffs des 
Erwerbs der Reichs- und Staatsangehörigkeit aufgestellt worden als 
. 
22) Anders Landgraff a. a. O. S. 633. 
23) Vgl. 8 25. 
24) R.-G.-Bl. 1875, S. 324. 
18“
	        
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