302 Das Verfassungsrecht. 8 48
Erlaubnis erwirbt, genießt er nicht die sonst mit dem Besitze der Güter
verbundenen Herrschafts= und Ehrenrechte, Jagdrecht, Gerichtsbarkeit,
Kirchenpatronat, die Benennung nach dem Gute, Kreis= und Land-
standschaft (§8 41— 51). Dem Adel als dem ersten Stande im Staate
liegt nach seiner Bestimmung die Verteidigung des Staates sowie die
Unterstützung der äußeren Würde und inneren Verfassung desselben
hauptsächlich ob. Er ist daher zu den Chrenstellen im Staate, zu
deuen er sich geschickt gemacht, vorzüglich berechtigt (88 1, 35). Da-
gegen darf der Adel nicht bürgerliche oder bäuerliche Güter erwerben
oder bürgerliche Nahrungen und Gewerbe treiben (88 72 79).
Der Bürgerstand entwickelte sich besonders seit dem späteren
Mittelalter aus der in den Städten wohnhaften handel= und gewerbe-
treibenden Bevölkerung. Ein äußerliches persönliches Kennzeichen fehlt
für die Mitglieder dieses Standes. Während der Adel ein solches in
seinem adligen Familiennamen beständig mit sich trägt, der an die
Scholle gebundene Bauer vermöge seiner dauernden Verbindung mit
dem Boden stets rechtlich kenntlich ist, sehlt bei dem Bürger sowohl
das persönliche wie das dingliche Kennzeichen des Standes. Da es
aber nur drei Geburtsstände gibt, müssen alle zu den Bürgern ge-
hören, die nicht Adlige oder Bauern sind. Hierin liegt nicht, wie man
gemeint hat, der Anfang zu einem modernen „Staatsbürgertum“,
indem mit Aufhebung der ständischen Rechtsordnung auch die beson-
deren Standesunterschiede des Adels und Bauernstandes beseitigt, und
diese deshalb in den nunmehr allgemeinen Bürgerstand aufgegangen
sein sollen. Der Bürgerstand war ebensowohl ein in sich geschlossener
Stand wie die beiden anderen, die juristische Begriffsbestimmung war
nur leichter negativ als positiv zu gebens). Da der Bürgerstand
in sich geschlossen ist, kann er außer durch Geburt nur erworben
werden durch Aufnahme in eine städtische Gemeinde, die jedoch den
Mitgliedern der beiden anderen Stände erschwert oder unmöglich ge-
macht ist. Der Bürgerstand allein ist berechtigt zum Betriebe der
5) Nichts wäre verkehrter als die Schlußfolgerung aus der nega-
tiven Begriffsbestimmung, jeder Vagabund sei, weil er weder zum Adel
noch zum Bauernstande gehörte, Bürger. Trotz 8 1 II, 8 A. L.-N. gab
es nicht nur einzelne Personen, sondern ganze Klassen von Untertanen,
die keinem der drei Stände angehörten, so z. B. die Juden und
Zigeuner.