8 60 Die Mediatisierten. Allgemeines. 325
dings hing die Rechtsstellung der Mediatisierten nicht mit der Bundes-
verfassung zusammenu). Aber eine Verpflichtung zur Aufrechterhal-
tung der standesherrlichen Vorrechte hatten die Bundesstaaten in
Art. 63 der Wiener Schlußakte ausdrücklich nur gegenüber dem Bunde,
nicht gegen einander übernommen. Wenn auch der Bund kein selbst-
ständiges Rechtssubjekt, sondern nur eine Vereinigung souveräner
Staaten war, so bestand doch die Verpflichtung des Einzelstaates den
anderen Einzelstaaten gegenüber nur in deren Vereinigung als
Deutscher Bund und ist mit dem Aufhören dieser Vereinigung er-
loschen. Wollte man das Gegenteil behaupten, so müßte man den
Deutschen Bund für die standesherrlichen Verhältnisse als fortbestehend
annehmen, es könnte nicht nur nicht ein Einzelstaat, sondern auch
nicht das Reich standesherrliche Vorrechte aufheben, ohne sich dem
Widerspruche Oesterreichs, der Niederlande, Luxemburgs und Lichten-
steins auszusetzen. Tatsächlich hat man denn auch bereits bei Auf-
hebung verschiedener Vorrechte der Mediatisierten, z. B. der Prä-
sentationsrechte und des privilegierten Gerichtsstandes durch die Reichs-
justizgesetze die Gewähr der deutschen Bundesakte als hinfällig unbe-
achtet gelassen und sie als nicht mehr bindend angesehen. Dagegen
ist die auf Grund der bundesrechtlichen Verpflichtung erlassene Landes-
gesetzgebung selbstverständlich trotz der Aufhebung der Bundesakte un-
berührt geblieben. Die Rechtsverhältnisse der Standesherren sind da-
her dieselben wie vor Auflösung des Bundes, soweit nicht die nunmehr
bundesrechtlich nicht mehr eingeschränkte Reichs= und Landesgesetzgebung
neue Bestimmungen getroffen hatts).
17) Aus diesem Grunde wollen z. B. H. Schulze, Pr. St.-N.,
B. 1, S. 434, und Zöpfl, Standesherren, S. 202 ff., die völkerrecht-
liche Garantie der standesherrlichen Rechte als fortbestehend ansehen.
18) Unbegründet und innerlich widerspruchsvoll sind die Aus-
führungen von Rönne-Zorn, Pr. St.-R. Bd. 2, S. 45, daß es sich
bei den Sonderrechten der Mediatisierten um Privilegien handle, die nur
mit Zustimmung der Beteiligten geändert werden dürften. Er will unter
Verletzung dieses Grundsaßes ergangene Staatsgesetze nicht als nichtig
betrachten, muß auch zugeben, daß die Gesetzgebung sich vielfach an
den Grundsatz nicht gehalten hat. Also, was soll er dann überhaupt?
Die staatliche Gesetzgebung ist rechtlich schrankenlos. Ob ein Gesetz
moralisch gerecht, politisch zweckmäßig ist, entzieht sich der staatsrecht-
lichen Erörterung. Ebenso widerspruchsvoll Zorn, Moderne Legiti-
misten im Archiv für Rechts= und Wirtschaftsphilosophie, herausg. von
Kohler und Berolzheimer, Bod. 2. NRichtig dagegen mit voller
Schärfe die Motive zum Entwurfe eines B. G.-B. Bd. 1, S. 12.