Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

382 Das Verfassungsrecht. g 568 
keiten sind also abgesehen von den Domänen, wo der Landesherr als 
Gutsherr gilt, auf dem flachen Lande die größeren Grundbesitzer, in 
den Städten die Organe der städtischen Genossenschaften. Da der 
Landesherr keine anderen Organe zur Ausführung seines Willens 
besitzt als die Gutsherren und die städtischen Räte, so muß er sich 
bei allen wichtigen Negierungshandlungen, die nicht nur seine Domänen, 
sondern das ganze Land betreffen, vorher zu versichern suchen, ob die 
Stände als Ortsobrigkeiten auch seinen Willen ausführen wollen. Das 
geeignete Mittel hierzu ist die Vereinigung der Ortsobrigkeiten zu 
einer allgemeinen Versammlung der Landstände, um den beabsichtigten 
Maßregeln im voraus ihre Zustimmung zu geben. Die Bildung der 
Landstände ist also nur das Ergebnis der Gestaltung der Ortsver- 
waltung, d. h. ihrer Ausübung durch vermöge ihres Besitzes vom 
Landesherren unabhängige Organe. 
Hieraus ergibt sich zweierlei. Vertreten sind in den ständischen 
Versammlungen nur die weltlichen und geistlichen Gutsherren als 
Ortsbehörden des flachen Landes und Abgeordnete der slädtischen 
Genossenschaftsorgane, der Stadträte. Nur der Landesherr als Guts- 
herr seiner Domäuen bedarf leiner Vertretung, da er hier alle beab- 
sichtigten Maßregeln ohne weiteres ausführen kann. Weiterhin haben 
diejenigen Klassen der Bevölkerung, welche nicht Ortsobrigkeiten sind, 
auch keine Vertretung. Daher besteht im allgemeinen auch eine solche 
für die Bauern nicht. Nur wo diese sich von der Gutsherrlichkeit frei 
gehalten haben, wie z. B. in Tirol und Ostfriesland, sind die Organe 
der Bauerngemeinden ähnlich wic die der Städte Ortsobrigkeiten und 
haben als solche eine Vertrelung. Im allgemeinen gliedern sich daher 
die Stände in drei Kurien, die Nitlerschaft des Landes, die Geistlich- 
keit und die Städte. Die Geistlichkeit fällt jedoch seit der Reformation 
in den protestantischen Gebieten bis auf geringe Reste fort, so daß 
nur die Ritterschaft und die Städte übrig bleiben. Diese Entwicklung 
hat ihren Höhepunkt erreicht gegen Ende des 15. und Anfang des 
16. Jahrhunderts. 
Nachdem die Stände nun Ortsobrigkeiten und Gesamtvertretung 
des Landes geworden sind, suchen sie in beiden Beziehungen ihre 
Stellung zu sichern. Das geeignete Mittel hierzu ist die Ausschließung 
jeder nicht zu ihrer Klasse gehörigen Person von der Erlangung einer 
ähnlichen Herrschaftsstellung. Die Ritterschaft des Landes, ursprüng- 
lich nur die Besitzer der größeren Güter, auf denen der Ritterdienst
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.