384 Das Verfassungsrecht. 9 58
mitvertreten würden. Die Domänenbauern wurden bei letzterer Er-
klärung leider ganz und gar vergessen.
Im Anfange des 19. Jahrhunderts verschwand nun aber unter dem
Einflusse der französischen Revolution allgemein die ständische Gliede-
rung der Gesellschaft in Deutschland. Es wurde gleichzeitig mit der
Aufhebung der bäuerlichen Unterlänigkeit einem jeden ermöglicht, von
einem Stande in den anderen überzugehen. Die Stände, soweit sie
noch so genannt wurden, waren nur noch bloße Besitzklassen. Wollte
man nun wieder eine Gesamtvertretung der Staatsangehörigen her-
stellen, so konnte man sie entweder in Anknüpfung an die allta
ständische Ordnung auf die verschiedenen Besitzklassen oder auf die
Gesamtheit der Untertanen, welche nunmehr rechtlich nicht mehr von-
einander geschieden waren, gründen. Ersteres geschah in Preußen
durch die neuständische Gesetzgebung der zwanziger Jahre, welche schließ-
lich in der 1847 erfolgten Berufung aller Provinzialstände zu einem
Vereinigten Landtage nach Berlin gipfelte. Man beging jedoch, ab-
gesehen davon, daß man den Ausgangspunkt der ständischen Entwick
lung, die Stellung der Stände als Ortsobrigkeit, außer Acht ließ,
den Fehler, nicht jeder Besitzmasse eine Vertretung einzuräumen,
sondern nur den drei Grundbesitzmassen, Rittergutsbesitze, bäuerlichem
und städtischem Grundbesitze. Der Kapitalbesitz des Landes blieb da-
gegen als solcher völlig unvertreten. Während eine den wahrer
Besitzverhältnissen entsprechende Vertrelung nach Besitzmassen eine
Vertretung des gesamten Volkes sehr nahe kommen nupßte, erhiel
man hier durch die mangelnde Berücksichtigung einer Besitzmasse eir
ganz schiefes Verhältnis, welches lediglich dem Großgrundbesitze zu-
gute kam. Infolge dieses Fehlers scheiterte das ganze System. Be
der Neubildung der Landesvertretung durch die Verfassungsurkunde
gab man die Vertretung nach Besitzmassen überhaupt auf und ginl
zur Bildung einer Vertretung des Volkes als ungeschiedener Gesamt
heit, d. h. zum sogenannten Repräsentativsysteme über, welches ohm
Rüclsicht auf das geschichtlich Gewordene ausgebildet wurde.
Die alten Landstände waren in Preußen schon seit Anfang des
18. Jahrhunderts tatsächlich beseitigt, in einigen Provinzen, wi
Schlesien und Westpreußen, unter Friedrich dem Großen auch formel
gesetzlich aufgehoben. Es bestand daher schon keinerlei Rechtszusammen
hang zwischen den neuständischen Bildungen der zwanziger Jahre unl
den alten Landständen. Da man jedoch mit diesen Bildungen, wem