g 60 Die Rechtsgrundlagen des Herrenhauses. 393
Bildung der ersten Kammer:) genötigt. Hierdurch wurden die nach
Art. 65 d und e der Verfassungsurkunde erforderlichen Bestimmungen
vorläufig für die Dauer eines Jahres vom 7. August 1852 ab
erlassen. Diese Verordnung erlangte auch die nachträgliche Genehmi-
gung der Kammern.
In der Sitzungsperiode 1852 bis 1853 kam endlich das Gesetz
vom 7. Mai 1853 betreffend die Bildung der ersten Kammers) zu-
stande. Dieses bestimmte, die erste Kammer solle durch königliche
Anordnung gebildet werden, welche nur durch ein mit Zustimmung
der Kammern zu erlassendes Gesetz abgeändert werden könne. Zu-
sammengesetzt werden sollte die erste Kammer aus Mitgliedern, welche
der König mit erblicher Berechtigung oder auf Lebenszeit berief
(Art. 1). Mit der Verkündigung dieser königlichen Anordnung sollten
die Art. 65 bis 68 der Verfassungsurkunde außer Kraft und der
Art. 1 dieses Gesetzes an deren Stelle treten (Art. 2). Bis zur
Verkündigung der königlichen Anordnung blieb die Verordnung vom
4. August 1852 in Wirksamkeit (Art. 3). Auf Grund dieses Gesetzes
erging nun die königliche Verordnung vom 12. Oktober 1854 wegen
Bildung der ersten Kammers), welche noch jetzt in Kraft steht.
Es fragt sich nun, welche Bedeutung den der Bildung des Herren-
hauses gegenwärtig zugrunde liegenden Rechtsquellen beizulegen ist.
Art. 1 des Gesetzes sieht den Erlaß einer königlichen Anordnung vor,
Art. 2 setzt die Art. 65 bis 68 der Verfassungsurkunde außer Kraft
und Art. 1 des vorliegenden Gesetzes an deren Stelle. Hieraus ergibt
sich, daß nur der Art. 1 des Gesetzes vom 7. Mai 1853, nicht aber
die auf Grund seiner erlassene königliche Verordnung den Cha-
rakter des Verfassungsgesetzes hat. Man kann nicht behaupten, da
der ganze Inhalt des Art. 1 einen Bestandteil der Verfassungs-
urkunde bilde, so sei auch die in diesem Artikel in Bezug genommene
königliche Anordnung, also die Verordnung vom 12. Oktober 1854
ein solchers). Nach ausdrücklicher Bestimmung des Gesetzes hat nur
dessen Art. 1 den Charakter des Verfassungsgesetzes, die königliche
2) G.-S. 1852, S. 649 ff.
25) G.-S. 1853, S. 181.
G.-S. 1854, S. 541 ff.
5) So v. Rönne, Pr. St.-R., Bd. 1, S. 218; H. Schulze,
Pr. St.-R., Bd. 1, S. 584. Anders v. Rönne-Zorn, Pr. St.-R.,
be. 1, S. 270, N. 5, S. 277, N. 1; v. Stengel, Pr. St.-N., S. 76, N. 1.