§ 60 Die Rechtsgrundlagen des Herrenhauses. 395
Art. 1 des Gesetzes vom 7. Mai 1853 gezogenen verfassungsmäßigen
Schranken innegehalten habe. Das Gesetz hatte die königliche An-
ordnung nur an zwei Beschränkungen geknüpft, der König sollte die
einzelnen Mitglieder des Herrenhauses berufen, nicht etwa bloß ihre
Berufungsart festsetzen, und er sollte sie berufen entweder mit erb-
licher Berechtigung oder auf Lebenszeit. Im Widerspruche hiermit führe
die Verordnung verschiedene Präsentationsrechte politischer Körper-
schaften und Verbände ein, beschränke also die Kronc in dem ihr
verfassungsmäßig zustehenden Rechte vollständig freier Berufung. Sie
kenne ferner außer den erblichen und lebenslänglichen Mitgliedern
noch eine besondere Art von ihnen, deren Mitgliedschaft nicht an
der Person lebenslänglich, sondern an einem Amte oder an einem
Besitztume hafte und mit diesem verloren geher).
Das durch die Verordnung eingeführte Präsentationsrecht steht
nun aber nicht im Widerspruche mit der verfassungsmäßig allein
zulässigen Begründung der Mitgliedschaft durch königliche Berufung.
Es ist selbstverständlich, daß der König nicht selbst alle Personen, die
er in das Herrenhaus berufen will, aussuchen kann, es müssen ihm
in dieser Beziehung geeignete Vorschläge gemacht werden. Das ge-
wöhnliche Organ dazu, diese Vorschläge zu machen, würde nun aller-
dings das Ministerium gewesen sein. Es stand jedoch rechtlich nichts
im Wege, daß der König die Befugnis hierzu in gewissen Fällen auch
anderen Organen, politischen Körperschaften oder Verbänden einräumte.
Nichts anderes als ein solches Vorschlagsrecht ist aber das Präsen-
tationsrecht der Verordnung vom 12. Oktober 1854. Die freie Be-
rufung des Königs ist durch die Präsentation in keiner Weise rechtlich
beschränkt. Die Präsentation gibt dem Präsentierten keinerlei Anrecht
auf die Mitgliedschaft. Der König kann ihn, ohne an eine Zeitfrist
gebunden zu sein und ohne Gründe angeben zu müssen, zurüchweisen
und eine andere Person ernennen. Den Rechtstitel für die Mitglied-
schaft bildet auch für den Präsentierten einzig und allein die königliche
Ernennung. Der § 3 der Verordnung sagt daher mit Recht, daß der
König sie in das Herrenhaus berufen wolle. Bei den präsentierten
7) Vgl. v. Rönne, Pr. St.-R., Bd. 1, S. 206; H. Schulze,
Pr. St.-R., Bd. 1, S. 584; Constantin Rößler, Studien zur
Fortbildung der preußischen Verfassung, Abt. II, S. 23; Gefscken,
eform der preußischen Verfassung, Berlin 1870, S. 98 ff.