Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

396 Das Verfassungsrecht. 8 60 
Mitgliedern ist also nicht nur die Berufungsart durch den König 
festgesetzt, es erfolgt auch durch ihn allein die Berufung in jedem 
einzelnen Falle. 
Auch das zweite Bedenken, daß die präsentierten Mitglieder, da 
ihre Mitgliedschaft von einem Amte oder Besitze bedingt sei, nicht zu 
den lebenslänglichen gerechnet werden könnten, erscheint hinfällig. 
Durch das Erfordernis der Lebenslänglichkeit war die königliche Ver- 
ordnung zweifellos nicht verhindert, außer dieser auch noch weitere 
Erfordernisse, wie Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte, ein Amt oder 
einen Besitz, zu erfordern. War dies aber zulässig, so mußte mit dem 
Fortfalle einer dieser Eigenschaften auch die Mitgliedschaft selbst auf- 
hören. Die Lebenslänglichkeit eines Amtes oder eines öffentlichen 
Dienstes hat nicht den Sinn, daß der Jnhaber den Dienst bis zu 
seinem Tode versehen muß, sondern nur den, daß er nicht an eine 
bestimmte Zeitdauer geknüpft und ihm bis zu seinem Tode nicht will- 
kürlich entzogen werden kann. In dieser Beziehung hat die Mitglied- 
schaft des Herrenhauses denselben Charakter wie die Staatsämter, 
welche auf Lebenszeit verliehen werden. Auch der Beamte ist gegen 
willkürliche Entziehung des Amtes geschützt, er kann es aber nicht 
nur wegen schuldhaften Verhaltens verlieren, sondern auch, wenn 
andere Voraussetzungen, unter denen es ihm verliehen ist, nicht mehr 
vorliegen. Die lebenslängliche Mitgliedschaft des Herrenhauses geht 
aber verloren, wenn jemand ein Amt oder einen Besitz, durch den die 
Mitgliedschaft bedingt war, aufgibt, also durch eine Veränderung in 
der Stellung des betreffenden Mitgliedes. Dies steht aber mit dem 
Begriffe der Lebenslänglichkeit nicht im Widerspruche. 
Eigentümlicherweise haben sich die Angriffe immer nur gegen den 
Verlust der Mitgliedschaft durch Aufgabe eines Amtes oder eines 
Besitzes gerichtet, nicht aber gegen den Verlust durch strafbare Hand- 
lungen oder unehrenhaftes Verhalten. In beiden Fällen liegt aber 
das Rechtsverhältnis vollständig gleich. Wäre der den Angriffen zu- 
grunde gelegte Begriff der Lebenslänglichkeit richtig, so wäre, abge- 
sehen von den Fällen, wo das Reichsstrafgesetzbuch zwingende Normen 
aufstellt, die Ausschließung eines Mitgliedes wegen unehrenhaften Ver- 
haltens unzulässig, das Herrenhaus müßte solche Personen weiter in 
seiner Mitte dulden, damit nur nicht der vermeintliche Grundsatz der 
Lebenslänglichkeit verletzt würde.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.