108 Das Verfassungsrecht. § 62
werdenis). Einzelne Aenderungen, die nicht das in Art. 72 verheißene
Wahlgesetz darstellen, können sogar weiter den suspendierten Ver-
fassungsartikeln widersprechen.
Diese Verordnung wurde durch das vorläufige Wahlgesetz vom
30. April 1851 für die Wahlen zur zweiten Kammer in den hohen-
zollernschen Fürstentümern:t) mit unbedentenden Aenderungen auch auf
dieses neu erworbene Gebiet ausgedehnt. Für die 1866 erworbenen
Landesteile traf das erwähnte Gesetz vom 17. Mai 1867 die Bestim-
mung, daß die ersten Wahlen in den neuen Provinzen nach der Ver-
ordnung vom 30. Mai 1849 mit einigen Abänderungent?) erfolgen,
und dem nach dem 1. Oktober 1867 zunächst einzuberufenden Landtage
ein Gesetzentwurf über die endgültige Einführung der Verordnung vom
30. Mai 18490 vorzulegen sei. Das geschah jedoch nicht. Die Verordnung
vom 14. September 1867 bezeichnete nur die für die Einteilung der
Urwähler in drei Abteilungen maßgebenden Steuern. Demnächst be-
stimmte das Gesetz vom 11. März 1869 betreffend die sernere Geltung
der Verordnung vom 30. Mai 1849 für die Wahlen zum Abgeord-
netenhause in den neuerworbenen Landesteilen!), es sollten bis zum
Erlasse des im Art. 72 der Verfassungsurkunde vorbehaltenen Wahl-
gesetzes die Abgeordnetenwahlen in den neuen Provinzen auf Grund
der Verordnung vom 30. Mai 1849, des Art. 2 der Verordnung
vom 14. September 1867 und nach den in § 2 des Gesetzes vom
11. März 1869 vorgeschriebenen Maßregeln erfolgen. Die von den
Wahlen handelnden Bestimmungen der Verordnung vom 14. Sep-
tember 1867 sind durch diese Bezugnahme ein Beslandteil des Gesetzes
selbst geworden und können daher einer Abänderung ebenfalls nur
im Wege der Gesetzgebung unterliegen.
In Ermangelung des in Arl. 72 der Verfassungsurkunde vor-
13) Anderer Ansicht v. önne-Zorn, Pr. St.-RN., Bd. 1, S. 295,
weil Art. 115 die Verordnung unter Garantie der Verfassung stelle,
aber doch nur als fortgeltendes Gesetz. Mit demselben Rechte
könnte man sagen, das ganze Unterrichtsrecht sei formelles Ver-
fassungsrecht.
14) G.-S. 1851, S. 216.
15) Sowohl in den hohenzollernschen Landen wie in den neuen
Provinzen waren diese Aenderungen nur wegen der für die Wahlbe-
rechtigung maßgebenden verschiedenen Steuerversassung erforderlich.
10) G.-S. 1869, S. 481.