§ 62 Das Abgeordnetenhaus. Die Wahlbez. u. d. Wahlfähigkeit. 411
mit der Großjährigkeit erlischt. Das Staatsministerium wollte nach
seiner Bekanntmachung vom 19. Dezember 184820) nur die Personen
ausgeschlossen wissen, die zur Zeit der Wahl nicht in der Lage waren,
Über ihre Person und ihr Eigentum zu verfügen. In Uebereinstimmung
damit geht auch das Zirkularreskript des Ministers von Manteuffel
vom 20. Dezember 184821) nicht vom Begriffe der privatrechtlichen
Handlungsfähigkeit, sondern von dem Sprachgebrauche aus und schließt
danach gewisse Klassen, u. a. auch die privatrechtlich vollständig hand-
lungsfähigen Gefangenen, aus. Es kann jedoch keinem Zweifel unter-
liegen, daß der Sprachgebrauch mit dem Worte „Selbständigkeit“ in
der Regel einen viel weiteren Begriff verbindet, nicht nur den eines
selbständigen Haushaltes, sondern sogar den eines selbständigen Ge-
schäftes, wodurch zahllose Klassen von Personen von der Wahlberech-
tigung ausgeschlossen wären. Ein immerhin schwankender Sprach-
gLebrauch kann aber nicht als Grundlage der wichtigsten staatsrechtlichen
Verhältnisse dienen.
Will man daher überhaupt mit der „Selbständigkeit“ einen festen
Rechtsbegriff verbinden, so kann dies nur die privatrechtliche Hand-
lungsfähigkeit sein, die sich auch im ganzen und großen mit dem in
den Ministerialerlassen auf Grund eines angeblichen Sprachgebrauches
entwickelten Begriffe einer sogenannten politischen Selbständigkeit deckt.
Im höchsten Matße wünschenswert wäre allerdings, daß eine künftige
Gesetzgebung jenes unbestimmte Wort durch eine Aufzählung der ein-
zelnen von der Wahlfähigkeit ausgeschlossenen Staatsangehörigen er-
setzte. Doch hat die Praxis im allgemeinen bisher den richtigen Weg
gefunden.
4. Vollendung des 24. Lebensjahres, des früheren
landrechtlichen Großjährigkeitstermins#).
5. Vollbesitz der bürgerlichen Ehrenrechte. Maß-
gebend für dieses Erfordernis ist jetzt das Reichsstrafgesetzbuch 8 34,
Nr. 4, welches an die richterliche Aberkennung der bürgerlichen Ehren-
.– — –
20) M.-Bl. d. inn. Verw. 1848, S. 361.
21) A. a. O. S. 362.
2282) Auch diese Anknüpfung an das Privatrecht weist darauf hin,
aß man unter dem Erfordernisse der Selbständigkeit ebenfalls nichts
anderes als die privatrechtliche Handlungsfähigkeit als Bedingung der
ahlfähigkeit verstanden haben kann.