§ 6 Friderician. Staat. Untergang d. alt. Monarchie (1740—1807). 35
nur die Wege zur Erreichung des Ziels waren verschieden. Die
Coccejische Reform in den ersten Regierungsjahren des Königs suchte
den Hauptfehler in dem schlechten Justizpersonal, besonders den Ad-
vokaten. Die 1747 und 1748 erschienene Prozeßordnung, der Coder
Frickericianus, ist daher vorwiegend Dienstpragmatik, behält aber den
gemeinen Prozeß im wesentlichen bei. Das 1749—1751 erschienene
neue Gesetzbuch, das Corpus juris Frickericiani, war ebenfalls äußerst
mangelhaft und gelangte nur teilweise zur praktischen Anwendung.
Der Nutzen der Coccejischen Reform war daher kein dauernder. Der
Siebenjährige Krieg und die Ordnung der neuen Erwerbungen unter-
brach auch ihre Fortführung bis gegen das Ende der Regierung des
Königs. Erst 1780 erhielt der Großkanzler von Carmer den Auftrag,
eine Prozeßordnung und ein Gesetzbuch in deutscher Sprache abzu-
fassen. Die erstere kam 1781 unter dem Titel „Corpus juris Frideri-
cianum, Erstes Buch, Von der Prozeßordnung“ zustande. Diese griff
endlich die Justizreform an dem richtigen Ende an, der gemeine Prozeß
wurde beseitigt und der Natur des absoluten Beamtenstaates ent-
sprechend das Inquisitionsprinzip auch für den Zivilprozeß eingeführt.
Dieses Gesetz wurde später umgearbeitet und 1793/1795 von neuem
als Allgemeine Gerichtsordnung verkündet. Das materielle Recht
wurde 1784-—1788 abgefaßt und 1791 publiziert, jedoch aus poli-
tischen Erwägungen einer nochmaligen Revision unterzogen und 1794
unter dem Titel „Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten“
endgültig eingeführt.
Die große Kodifikation der allgemeinen Gesetzbücher, welche somit
am Ende des Jahrhunderts zustande kam, besonders das Allgemeine
Landrecht, gab der Zwitterstellung, in der sich der preußische Staat
zwischen Mittelalter und Neuzeit befand, den besten Ausdruck. Die
positiven Rechtszustände Preußens und die Aufklärungsphilosophie
Lockes und Wolffs wurden die Quelle des preußischen Gesetzbuches.
Die absolute Stellung des Landesherren und die Gutsherrlichkeit, die
Gleichheit aller vor dem Gesetze und die Erbuntertänigkeit, ein ge-
meinsames Privatrecht für alle Stände und die Aufrechterhaltung der
ständischen Rechtsordnung, die Bestimmungen des Allgemeinen Land-
rechts über Glaubens= und Gewissensfreiheit und die des Religions-
ediktes und der darauf fortbauenden Gesetzgebung gehen unvermittelt
nebeneinander her. Häufig findet sich in einem Rechtssatze, der dem
positiven Rechte der absoluten Monarchie entstammt, ein Ausdruck,
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