8 66 Berufung, Vertagung und Schließung des Landtages. 435
den ordentlichen Landtag ist, auch wenn keinerlei sonstige Gesetz-
vorschläge zu seiner Beratung gelangen sollten, stets eine Arbeits-
aufgabe vorhanden in dem nach Art. 99 der Verfassungsurkunde
jährlich durch ein Gesetz festzustellenden Staatshaushaltsetat. Außer-
dem kann der Landtag einberufen werden, so oft es die Umstände
erheischen (Art. 76). In diesen Fällen spricht man von einer außer-
ordentlichen Sitzung des Landtages. Eine solche wird nur dann er-
forderlich sein, wenn die Regierung dem Landtage wichtige Gesetzes-
vorlagen zu machen hat, die auf die nächste ordentliche Sitzungsperiode
nicht verschoben werden können. Ob der nach Auflösung des Abge-
ordnetenhauses zu berufende Landtag als ordentlicher oder außer-
ordentlicher zu betrachten ist, kann nicht von dem Umstande abhängen,
ob der vorhergehende Landtag, dem das aufgelöste Abgeordnetenhaus
angehörte, zu einer ordentlichen oder einer außerordentlichen Sitzung
berufen war. Denn das neue Abgeordnetenhaus bildet keine rechtliche
Fortsetzung des aufgelösten, es beginnt vielmehr eine ganz neue Legis-
laturperiode. Maßgebend kann allein der Umstand sein, ob der vorher-
ngehende Landtag bereits den Staatshaushaltsetat für das kommende
Etatsjahr erledigt hat oder nicht. Im ersteren Falle ist die Sitzung
des neuberufenen Landtages eine außerordentliche, im letzteren Falle
eine ordentliche. Die Veranlassung zur Auflösung des Abgcordneten-
hauses wird stets die Ablehnung einer Regierungsvorlage gegeben
haben. Hat nun das neugewählte Abgeordnetenhaus dieselbe Zusammen-
setzung wie das aufgelöste, so kann der Fall eintreten, daß die Staats-
regierung dem neuberufenen Landtage den von dem vorigen Landtage
abgelehnten Gesetzentwurf gar nicht wieder vorlegt. Hat sie dem
Landtage auch keine anderen Vorlagen mehr zu machen, so ist die
Möglichkeit vorhanden, daß der Landtag nach Neuwahl des Abgeord-
netenhauses berufen wird, um sofort nach der Eröffnung wieder
geschlossen zu werden.
Die Form der Berufung des Landtages ist eine in der Gesetz-
sammlung verkündete königliche Verordnung, welche die beiden Häuser
des Landtages zu einem bestimmten Tage nach der Hauptstadt beruft.
Außerdem erhalten die Mitglieder des Herrenhauses noch besondere
Einladungsschreiben. Irgendwelche rechtliche Nötigung zur Beobachtung
dieser letzteren Form besteht jedoch nicht, die Mitglieder des Herren-
hauses würden schon auf Grund der königlichen Verordnung gleich
den Abgeordneten zum Erscheinen verpflichtet sein.
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