140 Das Versassungerecht. 867
Sitzungen, Beschlußfähigkeit und dergl. Grundsätzlich ist jedoch die
Regelung des Geschäftsganges der antonomen Festsetzung eines jeden
der beiden Häuser innerhalb der gesetzlichen Schranken überlassen.
Art. 78 Abs. 1 der Verfassungsurkunde bestimmt in dieser Beziehung:
„Jedes der beiden Häuser des Landlages prüft die Legitimation seiner
Mitglieder und entscheidet darüber. Es regelt seinen Geschäftsgang
und seine Disziplin durch eine Geschäftsordnung und erwählt seinen
Präsidenten, seine Vizepräsidenten und Schriftführer.“ Die ursprüng-
liche Geschäftsordnung des Herrenhauses vom 14. Januar 1856, auf
derjenigen der früheren ersten Kammer beruhend, erfuhr in den
späteren Jahren verschiedene Veränderungen und erhielt deshalb 1864
eine neue Redaktion, an deren Stelle endlich die Geschäftsordnung
vom 15. Juni 18922) trat. Das Abgeordnetenhaus nahm anfangs
die Geschäftsordnung der zweiten Kammer von 1840 für jede Sitzungs-
periode immer von neuem an, wobei jedoch mehrfache Abänderungen
vorgenommen wurden. Dies führte 1862 zum Erlasse einer revidierten
Geschäftsordnung. Diese wurde durch eine neue Geschäftsordnung vom
16. Mai 1876 ersetzts) mit Ergänzung zu § 64 (Ordnung) vom
6. Mai 1910.
Der Unterschied der Normen, welche für die Geschäftsbehandlung
maßgebend sind, macht sich namentlich in den Wirkungen geltend.
Die gesetzlichen Bestimmungen verpflichten nicht nur das betreffende
Haus, sondern auch andere Personen, namentlich die Mitglieder der
Staatsregierung. Dagegen kann sich die Wirksamkeit einer Geschäfts-
ordnung nur auf die Mitglieder desjenigen Hauses erstrecken, welches
sich die Geschäftsordnung gegeben hat. Für den Geschäftsverkehr mit
dem anderen Hause oder der Staatsregierung kann, soweit gesetzliche
Bestimmungen fehlen, nie die Geschäftsordnung, sondern immer nur
die beiderseitige Vereinbarung maßgebend sein.
Die Geschäftsordnung kann als autonome Satzung des Hauses
jederzeit von dessen Mehrheit abgeändert werden. Aber, solange ihre
Bestimmungen bestehen, sind sie auch für die Mehrheit bindend.
Konstituierung und Legitimationsprüfung.
Nach der Eröffnung des Landtages tritt jedes der beiden Häuser
zum Zwecke seiner Konstitnierung zusammen. Da diese eine Beschluß-
2) Abgedruckt bei David, Handbuch.
5) Abgedruckt bei Plate a. a. O.