§ 69 Die formellen Befugnisse des Landtages. 453
Die Regierungsvertreter als solche haben ferner keinerlei Stimm-
recht im Hause. Die Verfassungsurkunde, Art. 60 Abs. 3, hat es
für nötig erachtet, diesen selbstverständlichen Grundsatz auch noch aus-
drücklich auszusprechen: „Die Minister haben in einem oder dem
anderen der beiden Häuser des Landtages nur dann Stimmrecht, wenn
sie Mitglieder desselben sind.“
Es hat ferner die Verfassungsurkunde, Art. 60 Abs. 2, jedem der
beiden Häuser die Besugnis eingeräumt, die Gegenwart der Minister
zu verlangen. Da trotzdem kein Minister verpflichtet ist, auf Anfragen,
welche an ihn gerichtet werden, zu antworten, oder sich sonst aktiv an
den Verhandlungen zu beteiligen, so ist diese, lediglich zu einer passiven
Assistenz nötigende Bestimmung ohne praktische Bedeutung.
Der Verkehr der beiden Häuser nach außen vollzieht sich durch
die Präsidenten. Der Präsident kann aber namens des Hauses nur
mit den Ministern oder dem anderen Hause, nicht aber mit anderen
Behörden verkehren. Gesetzesvorlagen sind nach der Beschlußnahme
von demjenigen Hause, welchem sie zuerst eingebracht sind, dem an-
deren Hause mitzuteilen. Von dem anderen Hause eingehende Ge-
setzesvorlagen werden, wenn sie von dem zuletzt damit befaßten Hause
unverändert angenommen sind, von letzterem dem Staatsministerium
eingereicht, während das andere Haus nur eine Benachrichtigung er-
hält. Ersährt dagegen die Vorlage in dem zuletzt damit befaßten
Hause Abänderungen, so geht sie an das Haus zurück, welches sie
zuerst beraten hat. Bei einer Ablehnung einer Vorlage durch ein
Haus erhält, je nachdem die Vorlage von der Staatsregierung oder
dem anderen Hause ausgegangen ist, die Staatsregierung oder das
andere Haus eine Benachrichtigung.
§ 69. Die formellen Befugnisse des Landtages.
Die Lehre von der Teilung der Gewalten ist durch das deutsche
Staatsrecht nicht rezipiert worden.
Die Mitwirkung des Landtages ist daher nicht auf ein be-
stimmtes Gebiet der Staatstätigkeit beschränkt. Sie erstreckt sich so-
wohl auf den Erlaß von Rechtsnormen wie auf den tatsächlicher
Anordnungen und auf die Entscheidung streitiger Rechtsfragen. Eine
Aufzählung der materiellen Befugnisse der Volksvertretung würde da-
her das ganze Gebiet staatlicher Tätigkeit umfassen und bei jedem