l69 Die formellen Befugnisse des Landtages. 455
c—a -Lb. Es ist daher auch nicht in Zweifel zu ziehen, daß eine
vom Landtage genehmigte Notverordnung auf Grund des Art. 63
der Verfassungsurkunde, ohne daß eine staatliche Aeußerung, wie Be-
kanntmachung der Genehmigung und dgl., erforderlich wäre, genau
dieselben Rechtswirkungen hat wie ein auf dem gewöhnlichen Wege
zustande gekommenes Gesetze). Wenn Art. 48 der Verfassungsurkunde
für die Gültigkeit gewisser Staatsverträge die Zustimmung der beiden
Häuser des Landtages erfordert, so sind hier sogar in der Gesetzes-
sprache Zustimmung und Genehmigung als gleichbedentende Ausdrücke
gebraucht. Beim Abschlusse von Staatsverträgen muß der Staats-
akt der Zustimmung des Landtages vorausgehen. Ist aber die Zu-
stimmung erfolgt, so hat der Vertrag dieselbe formelle Wirkung wie
ein Gesetz. Art. 48 der Verfassungsurkunde konnte daher ebensowohl
sagen: Gewisse Verträge können Gültigkeit nur auf Grund eines
Gesetzes erlangens).
Endlich ist völlig gleichbedeutend mit den Worten Zustimmung
und Genehmigung der Ausdruck Einwilligung. Wenn nach Art. 55
der Verfassungsurkunde der König ohne Einwilligung beider Häuser
des Landtages nicht Herrscher fremder Reiche sein kann, so bedeutet
dies, daß er Herrscher fremder Reiche nur auf Grund eines preußischen
Landesgesetzes werden darf. Hieße es nur: Der König darf nicht
Herrscher fremder Reiche sein, so würde jede Abweichung von dem
Grundsatze die Form der Verfassungsänderung erfordern. Diese Fol-
gerung wird ausgeschlossen, und ein bloßes Gesetz für genügend er-
klärt durch Vorbehalt der Einwilligung. Dieser Vorbehalt hat also
genau dieselbe Bedeutung, als wenn Art. 1 der Verfassungsurkunde
den Umfang des Staatsgebietes verfassungsmäßig festlegt, und Art. 2
die Veränderung der Grenzen nur durch Gesetz zuläßt. Auch
hier würde freilich die Verkündigung des Gesetzes entbehrlich sein.
Es ist somit jede Tätigkeit des Landtages, welche in der Weise
stattfindet, daß beide Häuser des Landtages in gesonderten Sitzungen
ihre Zustimmung zu einer staatlichen Erklärung geben, Mitwirkung
2) Vgl. 8 81.
3) Wenn H. v. Schulze= Gaevernisz, Pr. St.-R., Bd. 2, S. 617,
die Fassung des Art. 48 der Verfassungsurkunde für etwas anderes
hält, so beruht dies darauf, daß er für das preußische Staatsrecht
noch den materiellen Gesetzesbegriff anerkennt.