Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

8 70 Begriff der Regierung. 463 
ergibt sich aus ihm die Art und Weise des Zustandekommens 
des Gesetzes, aber nichts für seinen Inhalt. Was Gegenstand des 
Gesetzes ist, muß aus zahlreichen Sonderbestimmungen entnommen 
werden. Nach diesen ergehen zwar die meisten Rechtsnormen, aber 
bei weitem nicht alle in der Form des Gesetzes. Die Begriffe des 
Gesetzes und der Rechtsnorm decken sich also nicht. Andererseits können 
verschiedene staatliche Maßregeln, die nicht den Charakter von Rechts- 
normen haben, nur in der Form des Gesetzes getroffen werden. Der 
freien königlichen Regierungsgewalt, im Sinne der konstitutionellen 
Lehre formell aufgefaßt, fällt demnach zu der Erlaß derjenigen Rechts- 
normen, die der Gesetzesform nicht bedürfen, es wird ihr entzogen 
die Anordnung derjenigen Maßregeln, die nur in Gesetzesform ge- 
troffen werden können. Da die richterliche Gewalt, die Auslegung 
und Anwendung streitiger Rechtsnormen, ohnehin im allgemeinen der 
persönlichen Ausübung des Königs entzogen ist, so lassen sich die 
Gegenstände der freien königlichen Regierungsgewalt, wie sie in 
Preußen zur Ausbildung gelangt ist, nur negativ bestimmen. Der 
Erlaß aller derjenigen staatlichen Anordnungen, die weder in der 
Form der Gesetzgebung, noch in denen der Rechtsprechung zu treffen 
sind, ist Gegenstand der Regierung. 
Der Begriff der Regierung ist also wie der der Gesetzgebung ein 
rein sormeller. Regierung ist der Inbegriff derjenigen staatlichen 
Anordnungen, deren Erlaß dem Könige nicht nur dem Rechte, sondern 
auch der Ausübung nach zusteht. Was Gegenstand der Regierung ist, 
ergibt sich nicht aus ihrem Wesen als solchem, sondern nur aus 
besonderen Bestimmungen. Da nun die freie Ausübung der Staats- 
tätigkeit durch den König die Regel, die Beschränkung durch die not- 
wendige Mitwirkung besonderer staatlichen Organe die Ausnahme 
bildet, so spricht die Vermutung dafür, daß ein Staatsakt Sache der 
Regierung ist. Denn in das Gebiet der Regierung fällt alles, was 
weder der Gesetzgebung noch der Rechtsprechung vorbehalten ist. Die 
Gegenstände der Regierung lassen sich daher nur nach gewissen Haupt- 
Cesichtspunkten zusammenfassen, ohne daß jemals eine erschöpfende 
Aufzählung aller rechtlich denkbaren Regierungsakte denkbar wäre. 
In dieser Regierungstätigkeit bildet die Ausführung oder Voll- 
ziehung der Gesetze einen der wichtigsten Bestandteile, aber nicht den 
einzigen. Die Regierung beschränkt sich nicht darauf, das Gesetz aus- 
zuführen und die in dem Gesetze etwa enthaltene Norm zu verwirk-
	        
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