464 Das Verfassungsrecht. 8 70
lichen. Auch soweit kein Gesetz die Norm des Handelns vorzeichnet,
greift die Regierung Platz und bestimmt selbst die allgemeinen Normen.
Während für die eigentliche Vollziehung das Gesetz Norm, ist es für
die übrige Negierung nur eine Schranke der freien Bewegung. Das
Gesetz gibt hier nicht die Regel, nach der sich die Regierung zu be-
wegen hat, sondern bestimmt nur, inwieweit die Regierung sich diese
Regel selbst geben oder ohne eine solche nach eigenen Gutdünken
handeln darf.
Die allgemeine Bezeichnung für alle löniglichen Regierunggakte,
mögen sie den Erlaß einer Rechtsnorm oder den einer tatsächlichen
Anordnung zum Gegenstande haben, ist nach preußischem Staatsrechte
„Verordnung“. Die Streitfrage, ob die Verordnung eine Aeußerung
der materiellen Verwaltungs= oder Regierungstätigkeil des Staates,
also eine tatsächliche Anordnung, oder eine Rechtsnorm ist, be-
antwortet sich hiernach im preußischen Staatsrechte dahin, daß sie
beides enthalten kann. Der Begriff der Verordnung ist wie der des
Gesetzes ein sormeller, er besagt, wie die Verordnung zustande kommt,
nicht, welchen Inhalt sie hat. Die Verfassungsurkunde bezeichnet da-
her einseitig vom Könige erlassene Anordnungen, sowohl wenn sie
eine Rechtsvorschrist geben (Art. 63), als auch wenn sie rein tat-
sächliche Anordnungen treffen (Art. 45), als Verordnungen.
Zu ihrer Rechtsgültigkeit bedürsen die Regierungshandlungen des
Königs der ministeriellen Gegenzeichnunge).
Von diesem Grundsatze besteht jedoch eine Ausnahme bezüglich
der Armeebefehle. Während bis zum Jahre 1861 die Praxis schwan-
kend war, traf der Allerhöchste Erlaß vom 18. Jannar 186192) eine
grundsätzliche Feststellung des Gegenstandes. Alle der Armee bekannt
zu machenden königlichen Orders behalten den Charakter des militäri-
schen Befehls, sollen jedoch weder die Stellung des Kriegsministers
noch verfassungsmäßig bestehende Normen allerieren. Im eingelnen
werden demnächst folgende Anordnungen getroffen: a) Armeebefehle
sowie Orders, welche der König in Militärdienstsachen oder Personal=
angelegenheiten erläßt, sollen ohne Gegenzeichnung expediert werden.
b) Sind in diesen Orders Bestimmungen enthalten, welche auf den
Militäretat von Einfluß sind oder andere Zweige der Militärverwal-
2) Vgl. 8 23.
5) M.-Bl. d. inn. Verw. 1861, S. 73.