8 72 Der Erlaß tatsächlicher Anordnungen. 471
Zeitpunkte der gehörigen Verkündigung. Ueber diese ist jedoch in einem
anderen Zusammenhange zu handelnts).
§5 72. Der Erlaß tatsüchlicher Anordnungen.
Die tatsächliche Anordnung bildet den Gegensatz der Rechtsnorm.
Während die Rechtsnorm einen tatsächlichen Zustand voraussetzt und
an diesen Rechtsfolgen anknüpft, die sie verwirklicht wissen will, macht
die tatsächliche Anordnung keinerlei solche Voraussetzung. Ihr Gegen-
stand ist vielmehr die unmittelbare Herstellung eines gewissen tatsäch-
lichen Zustandes. Die Rechtsnorm sagt, daß unter gewissen Voraus-
setzungen ein bestimmter tatsächlicher Zustand hergestellt werden soll,
die tatsächliche Anordnung stellt ihn unmittelbar her.
Die konstitutionelle Lehre legte jeder tatsächlichen Anordnung den
Charakter der Exekutive oder Vollziehung bei, und sie konnte von
ihrem Standpunkte aus nicht anders handeln. Der Grund und die
Quelle alles Rechtes ist nach der konstitutionellen Theorie das Volk.
„Tous les pouvoirs Cmanent de la nation“. Von dem Volke allein können
daher unmittelbar oder mittelbar die Rechtsnormen ausgehen. Jede
Rechtsnorm ist Volkswille. Der König hat keinerlei selbständige Ge-
walt, er ist nur der Beauftragte des Volkes, um dessen Willen aus-
zuführen. Aus den beiden Obersätzen, daß der König keine Gewalt
hat als die ihm vom Volk übertragene, und daß Volkswille und
Rechtsnorm gleichbedeutende Begriffe sind, ergibt sich mit Notwendigkeit,
daß der König nur den Volkswillen zur Geltung bringen, also nichts
anderes tun kann, als Gesetze ausführen. Die Beschränkung der könig-
lichen Regierung auf die Exekutive, die Ausführung der Gesetze,
ist ausdrücklich ausgesprochen in dem Vorbilde der preußischen Ver-
fassungsurkunde, der belgischen Verfassungt). Auch in dieser Bezie-
hung wollte die preußische Verfassungsurkunde dem belgischen Muster
13) Vgl. 8 82.
1) Constitution belge art. 20: „Au roi appartient le pouvoir cexécutif
tel qu’il est réglé par la constitution“ in Verbindung mit dem mehrerwähnten
art. 78: „Le roi M'a d’autres pouvoirs due ceux due lui attribuent formelle-
ment la constitution et les lois particulières portées en vertu de la consti-
lution meme“. Charakteristisch ist für das preußische Verfassungsrecht nicht
nur das Fehlen des Art. 78, sondern auch eines den Worten: „tel quik
est réglé par la constitution“ entsprechenden Satzes.