87 Die Zeit der Reformen u. der Revolution (1807—1848). 41
friesland, Hildesheim, Lingen und einige kleinere Absplissen erhielt
Preußen die Hälfte des Königreichs Sachsen, Neuvorpommern mit
Rügen, welche gegen das für Ostfriesland erworbene Herzogtum
Lauenburg von Dänemark eingetauscht wurden, das Herzogtum West-
falen und einige mediatisierte Gebiete, endlich die ganze Rheinprovinz,
von der nur Kleve, Mörs und Geldern altpreußisches Gebiet waren.
Im Jahre 1815 kamen hierzu noch Saarlouis und Saarbrücken., Die
territoriale Lage des Staates war dadurch so ungünstig wie möglich
geworden. In zwei Teile, einen östlichen und einen westlichen, zer-
rissen, die durch eifersüchtige Mittelstaaten auseinandergehalten wurden,
mit einer ungünstigen Grenze gegen Rußland und Frankreich bedurfte
Preußen außerordentlicher Anstrengungen zur Aufrechterhaltung seiner
Stellung. Aber gerade durch diese territoriale Lage war die künftige
Politik Preußens vorgeschrieben. Es war so mit allen Interessen des
gesamten Deutschland verknüpft, daß es sich nicht wie von 1796 bis
1806 auf sich selbst zurückziehen und das übrige Deutschland seinem
Schicksale überlassen konnte. Preußen konnte nur noch in und mit
Deutschland oder gar nicht bestehen.
Der Deutsche Bund, dem Preußen mit den Provinzen Branden-
burg, Pommern, Schlesien, Sachsen, Westfalen und der Rheinprovinz
beitrat, war rechtlich nur eine völkerrechtliche Vereinigung. Er legte
daher der Entwicklung Preußens kein wesentliches Hemmnis auf, die
Souveränetät des Staates nach innen und nach außen blieb un-
berührts).
Die erste Aufgabe nach der Wiederherstellung des Staates mußte
es sein, die aus zahllosen Gebietssplittern zusammengesetzte Gebiets-
masse zu einem einheitlichen Staatswesen durch die Verwaltung zu
verbinden und die in dem bisherigen kleinen Gebiete Preußens durch-
geführten Reformen auf das ganze Staatsgebiet auszudehnen. Die
Gemeindeverhältnisse blieben den sozialen Verschiedenheiten der ein-
zelnen Landesteile entsprechend im allgemeinen in ihrer bisherigen
Verfassung. Erst spät ging die Gesetzgebung an deren Regelung. Für
die Städte der östlichen Provinzen und Westfalens, in denen die
Städteordnung von 1808 nicht galt, wurde 1831 unter deren
Zugrundelegung eine revidierte Städteordnung erlassen, 1841 eine
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5) Vgl. Klüber, Oeffentliches Recht des Teutschen Bundes und
der Bundesstaaten, 4. Aufl., Frankfurt a. M. 1840.