*74 Das Organisationsrecht. 485
vorgesehen sind. Unter organischen Gesetzen können aber nur die in
der Verfassungsurkunde vorgesehenen Gesetze verstanden werden. Der
Art. 110 sagt also gar nicht, daß die Behörden nur durch Gesetz
organisiert werden können, sondern, daß, soweit die Organisation
einem Gesetze vorbehalten ist, die bestehenden Behörden bis zum
Erlasse dieser Gesetze erhalten bleibens). Die Verfassungsurkunde
hat nun die Organisation der Behörden weder ausschließlich dem
Gebiete der Gesetzgebung noch dem der Regierung zugewiesen. Sie
wählt auch hier die kasuistische Methode, indem sie die Organisation
einzelner Behörden dem Gesetze vorbehält und damit die der anderen
der freien königlichen Entschließung überläßt. Dem Gesetze vorbehalten
ist die Organisation der Gerichte (Art. 89, 91 V.-U.), eine Bestim-
mung, die allerdings gegenwärtig durch das Reichsrecht hinfällig ge-
worden ist, die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Gerichten und
Verwaltungsbehörden (Art. 96), der Oberrechnungskammer (Art. 104)
und die Vertretung und Verwaltung der Gemeinden, Kreise, Bezirke
und Provinzen (Art. 105). Andere Behörden, z. B. die der Amts-
bezirke, sind demnächst im Wege der Gesetzgebung errichtet worden
und können somit, da nur das Gesetz ein bestehendes Gesetz abzu-
ändern vermag, nicht anders als durch ein neues Gesetz eine anderweite
Organisation erfahren.
Soweit nun die Behördenorganisation nicht durch ein Gesetz
erfolgen muß, ist sie Sache der Regierungsverordnung. Ueber diese
Art der Organisation ist hier noch besonders zu handeln. Die Schranke
des königlichen Organisationsrechtes bildet wie die des königlichen
Regierungsrechtes überhaupt das Gesetz. Der König allein kann also
keine Behörde organisieren, deren Organisation der Gesetzgebung über-
wiesen ist. Diese Folge ist eigentlich selbstverständlich. Der König
8) Diese Auffassung ist die in Theorie und Praxis herrschende.
Vgl. die Reden des Dr. A chen bach im Abgeordnetenhause am 4. De-
zember 1868, Sten. Ber. S. 436, des Regierungskommissars v. Wolff
und des Grafen Eulenburg im Herrenhause am 30. Januar 1869,
Sten. Ber. S. 171, 188, des Dr. Windthorst im Abgeordneten-
hause am 27. März 1878, Sten. Ber. S. 1993; v. Rönne, Pr. St.-R.,
Bd. 1, S. 426, 429; Arudt, Verordnungsrecht, S. 161. Mit dem
Vorte „Gesetz“ in Art. 110 ist das erste Mal der landrechtliche, vor
lat der V.-U. bestehende Gesetzesbegriff, das zweite Mal der rein formelle
Gesebesbegrif der V.-U. zu verstehen. Auch das erste Mal ist das Wort
Gesetz nicht gleichbedeutend mit Rechtsnorm gebraucht.