Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

8 76 Das Recht der Oberaussicht. 499 
loren gehen können, so ist doch damit nicht gesagt, daß der Verlust 
nur auf diese Weise eintreten kann — ebenso wenig wie ein Beamter 
nur durch strafrichterliches Urteil seine Beamteneigenschaft verlieren 
kann. Um ein subjektives Privatrecht handelt es sich nicht. Auch 
beim Orden ist Gegenstand des Rechtes nicht der Besitz der Dekoration, 
sondern die Befugnis ihn zu tragen. Die Verleihung ist auch kein 
Privilegium, da mit ihr keine Durchbrechung der Rechtsordnung ver- 
bunden ist. Im übrigen spricht die Vermutung für die freie Aus- 
übung des monarchischen Rechtes, die Beschränkung ist nicht zu 
erweisen. Ebenso sind akademische Titel zurücknehmbar, z. B. weil 
die Dissertation abgeschrieben war. 
Die rechtmäßig erworbenen Ehrenauszeichnungen werden straf- 
rechtlich geschützt, indem nach § 360, Nr. 8 St.-G.-B. die unbefugte 
Führung von Orden, Ehrenzeichen, Titeln, Würden und Adelsprädi- 
katen als Uebertretung mit Strafe bedroht isted). 
§ 76. Das Recht der Oberaufsichtt). 
Die Tätigkeit der einzelnen Organe des Staates bedarf der Auf- 
sicht. Diese wird in der Regel derart geübt, daß eine Behörde die 
anderen, ihr untergeordneten, überwacht, so daß schließlich alle unteren 
Behörden von den höchsten, den Ministerien, beaufsichtigt werden. 
Insofern die Aussicht durch die Staatsorgane stattfindet, ist sie einer 
der wichtigsten Gegenstände des Verwaltungsrechtes. Die höchsten 
Behörden, die Ministerien, haben doch aber ebenfalls nur eine abge- 
leitete Gewalt. Sie wie der ganze Behördenorganismus unterliegen 
der Aufsicht des Herrschers, und dieses oberste, vom Herrscher selbst 
geübte Aufsichtsrecht ist im Regierungsrechte zu behandeln. 
Der älteren Staatsrechtslehre machte die Stellung des Oberauf- 
sichtsrechtes im Systeme viele Schwierigkeiten. Da die konstitutionelle 
25) Unbefugte Führung der Bezeichnung als Hoflieferant ist nach 
einer Entsch. des Kammergerichts vom 20. Jannar 1890 nicht strafbar, 
da kein Titel vorliegt, kann aber nach der Entsch, des O.-V.-G. vom 
5. Januar 1911 polizeilich untersagt werden. Das gilt auch von frem- 
den, im Inlande nicht genehmigten Prädikaten. 
1) Vgl. Klüber 88 358 ff.; Zachariä 88 165 ff.; v. Rönne, 
Pr. St.-R., Bd. 1, S. 419 ff.; H. Schulze, Pr. St.-R., BVd. 2, 
S. 266 ff.; Chr. A. Hermann, De jure supremae inspectionis juris 
Dublici Germanici praccepta, Halac 1843. 
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