Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

500 Das Verfassungsrecht. 76 
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Lehre in der Regierung nur die Ausführung der Gesetze sah, man sich 
aber doch der Ueberzeugung nicht verschließen konnte, daß die Oberaussicht 
etwas anderes als Gesetzesausführung sei, so stellte man sie als be- 
sondere „Gewalt“ der Gesetzgebung und der Vollziehung gegenüberr). 
Erkennt man dagegen in der Regierung nur die vom Könige selbst 
ausgeübte Staatstätigkeit, so fällt unter diesen Begriff selbstverständlich 
auch die vom Könige persönlich geübte Aussicht. 
Die Oberaussicht hat zum Inhalte die Kontrolle der Organe des 
Staates und der innerhalb seines Herrschaftsgebieles bestehenden öffent- 
lichen Korporationen durch den König. In der Verfassungsurkunde 
steht nun von einem solchen Oberaufsichtsrechte des Königs kein Wort. 
Die Richtung, welche das gesamte Verfassungsrecht nur aus der Ver- 
sassungsurkunde entnimmt, als wenn vor ihrem Erlasse in Preußen 
überhaupt kein öffentliches Recht bestanden hätte, würde also an und 
für sich gar keine Veranlassung haben, dem Könige ein Oberaussichts- 
recht beizulegen. Aus der dem Könige verfassungsmäßig zustehenden 
vollziehenden Gewalt ergibt es sich keineswegs. Denn die Oberauf- 
sicht findet nicht nur statt zwecks Vollziehung der Gesetze, sie greift 
auch Platz, wo keine gesetzlichen Bestimmungen bestehen, oder ihnen 
wenigstens nicht zuwidergehandelt wird. Dagegen ist das Oberauf- 
sichtsrecht des Königs gesetzlich ausgesprochen in der verfassungs- 
rechtlichen und deshalb im ganzen Staatsgebiete in Kraft stehenden 
Bestimmung des § 13, II, 13 A. L.-R.: „Alle im Staate vorhandene 
und entstehende Gesellschaften und öffentliche Anstalten sind der Auf- 
sicht des Landesherren nach dem Zwecke der allgemeinen Ruhe, 
Sicherheit und Ordnung unterworfen.“ Hieraus ergibt sich, da eine 
spätere allgemeine gesetzliche Bestimmung über die Ausübung des 
Oberaufsichtsrechtes, insbesondere in der Verfassungsurkunde nicht er- 
gangen ist, daß die Ausübung des Oberaussichtsrechtes dem Landes- 
herren zusteht. Er kann dieses Recht auch durch seine Organe ausüben 
lassen, dann wird die Regierungskontrolle zur Verwaltungskontrolle. 
Gegenstand des königlichen Oberaussichtsrechtes sind die innerhalb 
des Staatsgebietes bestehenden Gesellschaften und öffentlichen Anstalten. 
Hierunter können nur verstanden werden die Behörden, juristischen 
Personen und Vereine. Zweck der Aussicht ist nur die Feststellung 
2) So Klüber und Zachariä a. a. O., Maurenbrecher, 
Grundsätze des deutschen Staatsrechtes, 88§ 41, 177 sf.
	        
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