Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

508 Das Verfassungsrecht. 877 
zu verwaltungsrechtlichen Verordnungen als Ortsobrigkeiten ein Zu— 
stimmungsrechtio). Nur wo der Landesherr die Mitwirkung der Stände 
nicht bedurfte, z. B. zur Aenderung des Verwaltungszustandes auf 
seinen Domänen, oder wenn sonst die Durchführung seiner Befehle 
gesichert war, erschien die ständische Zustimmung zu verwaltungsrecht- 
lichen Verordnungen überflüssig. 
Der ursprüngliche Unterschied in der Zustimmung zu Rechts- 
verordnungen und zu verwaltungsrechtlichen Verordnungen verwischte 
sich jedoch sehr bald, da bei beiden Arten von Verordnungen die 
ständische Zustimmung in derselben Weise erfordert und erteilt wurde. 
Durch diese Außerachtlassung des rechtlichen Unterschiedes veränderte 
sich aber der Gesetzesbegriff. Auf seinen Domänen bedurfte der 
Landesherr die Mitwirkung der ständischen Ortsobrigkeiten nicht. Er 
änderte deshalb für diese Bezirke einseitig nicht nur den Verwaltungs- 
zustand, sondern auch den Rechtszustand. Auch sonst hatte der Landes- 
herr, wo er der Durchsührung seiner Verwaltungsmaßregeln ohne 
vorherige ständische Zustimmung sicher war, einseitig verwaltungs- 
rechtliche Verordnungen erlassentt). Dies übertrug man auch auf die 
Rechtsverordnungen. War deren Durchführung ohne ständische Mit- 
wirkung gesichert, so ergingen sie ebenfalls ohne ständische Zustimmung. 
Beispielsweise wurde die brandenburgische Kammergerichtsordnung 
von 1516, welche eine hochbedeutsame Umwälzung des ganzen Rechts- 
zustandes durch Einführung des römischen Rechtes bewirkte, ohne Be- 
fragung der Stände einseitig vom Kurfürsten erlassen. 
Hatte man aber erst einmal den Standpunkt eingenommen, alle 
staatlichen Maßregeln ohne Nücksicht auf ihren Inhalt nur dann von 
10) Unzutreffend erscheint die Aussassung von Jellinek, Gesetz 
und Verordnung, S. 103, die Landfrieden und Ordnungen stellten sich 
nicht als Ausfluß des Staatswilleus, sondern als Ergebnis eines Ver- 
trages zweier selbständigen Paziszenten dar. Allerdings kennt das Mittel- 
alter im Gegensatze zur Gegenwart staatsrechtliche Verträge. Aber die 
wenigsten der mit Zustimmung der Stände erlassenen Anordnungen 
haben den Vertragscharakter. 
11) Beispiele hierfür sind in Brandenburg die Stadtordnung 
Friedrichs II. für Prenzlau und die Städte des Uckerlandes von 1465, 
die Landfriedensordnung Albrecht Achills von 1472 und die bekannte 
Polizeiordnung Joachims 1. von 1515. Vgl. Bornhak, Prenßische 
Staats- und Rechtsgeschichte, S. 47, 54.
	        
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