Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

3 79 Der Geschäftsgang bei Erlaß der Gesetze. 523. 
einem Privatmanne oder auch einer Privatgesellschaft, z. B. dem 
deutschen Juristentage, abgefaßt sein, er kann aber in irgend einem 
Ministerium oder in der Kammer selbst entstehen. Dies alles ist recht- 
lich gleichgültig. Tatsächlich entstehen die meisten Gesetzentwürfe in 
den zuständigen Ministerien, die dafür die Erfahrungen und Be- 
dürfnisse ihres Verwaltungszweiges zugrunde legen. 
Der Geschäftsgang, der schließlich zu dem Erlasse des Gesetzes 
führt, beginnt erst mit dem Augenblicke, in dem der Gesetzentwurf 
eingebracht wird. Die Einbringung der Gesetzentwürfe, die sogenannte 
Initiative, war nun nach den älteren deutschen Verfassungen, nach 
einigen ganz oder teilweise noch jetzt ausschließliches Recht des Landes- 
herrn. Man ging dabei von der Erwägung aus, daß, wenn nur 
der Landesherr, aber mit Zustimmung der Stände, Gesetze erlassen 
könne, der Vorschlag zu dieser landesherrlichen Anordnung auch nur 
von dem Landesherrn, nicht von den Ständen ausgehen dürfe. Letz= 
teren blieb nur die Befugnis, den Landesherrn um Vorlage eines 
bestimmten Gesetzentwurfes zu bittens). Die preußische Verfassungs- 
urkunde nimmt einen anderen Standpunkt ein. Art. 64 Abs. 1 be- 
sagt ausdrücklich: „Deem Könige, sowie jedem der beiden Häuser des 
Landtages, steht das Recht zu, Gesetze vorzuschlagen.“ Mit dem 
monarchischen Gesetzgebungsrechte steht jedoch diese Initiative des 
Landtages in keiner Weise im Widerspruche. Indem ein Haus des 
Landtages einen Gesetzentwurf einbringt, nimmt es nicht ein Gesetz- 
Lebungsrecht im Gegensatze zu der bloßen Teilnahme an der Ausübung 
der gesetzgebenden Gewalt für sich in Anspruch, sondern es erklärt 
nur im voraus seine Zustimmung für den Fall, daß der König ein 
solches Gesetz erlassen will. Gibt der König seine Willensüberein- 
stimmung mit der des Landtages zu erkennen, so ergeht das der 
Initiative des Landtages entsprungene Gesetz ebenso wie jedes andere 
als königliche, nach vorheriger Zustimmung beider Häuser des Land- 
tages erlassene Verordnung. 
Das Recht der Initiative des Königs und eines jeden der beiden 
Häuser des Landtages ist nicht auf gewisse Arten von Gesetzen be- 
schränkt. Zu allen staatlichen Willenserklärungen haben also alle drei 
— — 
3) Vom Standpunkte des monarchischen Prinzips verteidigt dieses 
Verhältnis des Landesherrn und der Siände zur Gesetzgebung besonders 
Gerber 88 40, 46.
	        
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