Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

521 Das Versassungerecht. 5§ 70 
Teilnehmer an der Ausübung der Gesetzgebung die Initiative. Ins- 
besondere ist aus der Bestimmung des Art. 62 Abs. 3 der Verfassungs- 
urkunde, wonach Finanzgesetzentwürfe und Staatshaushaltsetats zuerst 
dem Abgcordnetenhause vorgelegt werden, keine Beschränkung der Ini- 
tiative des Herrenhauses zu entnehmen. Hierfür spricht zunächst der 
Umstand, daß nach Art. 64 Abs. 1 der Verfassungsurlunde die Ini- 
tiative jedem der beiden Häuser ohne jede Beschränkung auf gewisse 
Gesetzentwürfe beigelegt wird. Wenn Finanzgesetzentwürfe zuerst dem 
Abgeordnetenhause vorgelegt werden sollen, so hat man hierbei offen- 
bar nur den Fall im Auge gehabt, daß die Vorlage seitens der Regie- 
rung erfolgt. Allerdings ist dies in dem Satze nicht ausdrücklich gesagt, 
und es erscheint bedenklich, etwas in das Gesetz hineinzulegen, was 
nicht ausdrücklich darin steht. Nimmt man aber selbst an, daß es sich 
um Vorlagen handle, die nicht der Initiative der Regierung ent- 
sprungen sind, so ist nicht abzusehen, weshalb die Notwendigkeit der 
früheren Vorlage an das Abgcordnetenhaus die Initiative des Herren- 
hauses unmöglich machen sollte. Es steht nichts im Wege, daß das 
Herrenhaus den Beschluß faßt, dem Abgeordnetenhause einen Finanz- 
gesetzentwurf vorzulegen. Nur müßte dieser, selbst wenn das Abge- 
ordnetenhaus ihn unverändert annimmt, um die Zustimmung beider 
Häuser zu erlangen, zu dem Herrenhause zwecks nochmaliger Be- 
schließung zurückkehren. Die beiden Ersordernisse der Vorlage des Ent- 
wurfes und der Zustimmung zu ihm, die sonst bei den der Initiative 
eines der beiden Häuser entstammenden Entwürfen zeitlich zusammen- 
fallen, sind hier nur auch zeitlich zwei verschiedene Rechtshandlungen, 
wie sie es ihrem Wesen nach stets sindt). 
Nur in einem Punkte ist die Initiative beschränkt, indem nach 
Art. 64 Abs. 2 der Verfassungsurkunde Gesetzesvorschläge, welche 
durch eines der beiden Häuser des Landtages oder den König ver- 
worfen sind, in derselben Sitzungsperiode nicht wieder vorgebracht 
werden dürfen. Fraglich ist hierbei nur, ob ein Gesetzentwurf, der 
in einem Hause vorgebracht, aber von diesem abgelehnt ist, nicht 
wieder vorgebracht werden darf, oder ob es erforderlich ist, um die 
  
4) Bei Entwürfen, die der König durch seine Regierung vorlegt, 
fallen ebenfalls Vorlage und Erklärung der Willensübereinstimmung zu 
ihr durch die Sanktion zeitlich auseinander, wenn auch keine Vorlage 
namens des Königs von der Regierung im Laudtage eingebracht werden 
darf, mit der der König nicht einverstanden ist.
	        
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