Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

8 79 Der Geschäftsgang bei Erlaß der Gesetze. 527 
gesetzentwürfe und Staatshaushaltsetats zuerst dem Hause der Abge- 
ordneten vorgelegt werden?). 
In welcher Weise die Gesetzentwürfe in beiden Häusern geschäft- 
lich zu behandeln sind, bestimmt sich nach den Geschäftsordnungen. 
Insbesondere steht es jedem Hause zu, Aenderungen an dem Gesetz- 
entwurfe vorzunehmen. Der Gesetzentwurf muß aber dann, wenn er 
von dem anderen Hause bereits angenommen ist, an dieses zurück- 
kehren, da die volle Uebereinstimmung beider Häuser über den ganzen 
Entwurf erfordert wird. Das Recht zu Aenderungen der Gesetzentwürfe 
besteht jedoch bezüglich des Staatshaushaltsetats nach Art. 62 Abs. 3 
der Verfassungsurkunde für das Herrenhaus nicht, da es diese Vor- 
lage nur im ganzen annehmen oder ablehnen darf. Zur Annahme 
eines Gesetzentwurfes genügt die Mehrheit eines jeden in beschluß- 
fähiger Anzahl versammelten Hauses (Art. 80 V.-U.). Nur bei Ge- 
setzen, welche die Verfassung abändern, ist in jedem der beiden Häuser 
die gewöhnliche absolute Stimmenmehrheit bei zwei Abstimmungen 
erforderlich, zwischen welchen ein Zeitraum von wenigstens 21 Tagen 
liegen muß (Art. 107 V.-U.). 
Mit der Uebereinstimmung beider Häuser über einen Gesetzent- 
wurf sind die Vorbereitungshandlungen zu ihm beendigt. Es ist die 
Zustimmung beider Häuser des Landtages vorhanden, welche die not- 
wendige Voraussetzung zum Erlasse des Gesetzes seitens des Königs 
bildet. Der König hat sich nunmehr darüber schlüssig zu machen, ob. 
er das Gesetz, zu dessen Erlasse er jetzt befugt ist, wirklich erlassen 
will oder nicht. Diese Entschließung hat der König auch dann zu 
fassen, wenn der Gesetzesvorschlag von ihm ausgegangen und von 
beiden Häusern des Landtages unverändert angenommen ist. 
Man kann nicht als Grund für diese Tatsache angeben, daß der 
König seinen Willen ändern könne, und deshalb nach der Beratung 
und Annahme durch den Landtag noch eine Willensentschließung des 
Königs erforderlich sei. Allerdings ist eine Willensänderung des Königs 
möglich, aber gerade darin, daß man ihr rechtliche Bedeutung bei- 
mißt, zeigt sich die Verschiedenheit in der Stellung des Königs und 
des Landtages. Hat ein Haus des Landtages ein Gesetz angenommen, 
—... 
d) Vgl. Jellinek, Der Anteil der ersten Kammern an der Fi- 
nanzgesetzgebung in den Festgaben für Laband, Tübingen 1908, Bd. 1, 
S. 95 ff.
	        
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