8 79 Der Geschäftsgang bei Erlaß der Gesetze. 529
aber seine eigene Handlung, den Erlaß des Gesetzesbefehls, legali-
sierento).
Mit der durch die königliche Unterschrift sich vollziehenden Sank-
tion ist das Gesetz vorhanden, und keine weitere einseitige Willens-
änderung des Königs kann das einmal vorhandene Gesetz wieder
rückgängig machen. Für den Bestand des Gesetzes ist die, allerdings
allein seine Verbindlichkeit für die Staatsangehörigen begründende,
Verkündigung unwesentlicht1). Dies wird von dem preußischen Rechte
positiv mehrfach ausgesprochen. Das A. L.-R., Einl. § 10 und die
preußische Verfassungsurkunde Art. 106 erklären übereinstimmend, daß
die Gesetze verbindlich werden durch die Verkündigung. Wenn man
von einem Begriffe etwas aussagt, so muß dieser Begriff bereits
vorhanden sein. Wird die Verbindlichkeit der „Gesetze“ von der Ver-
kündigung abhängig gemacht, so liegt darin die Anerkennung, daß
10) Vgl. über den Unterschied der Sanktion von der Promulgation
oder Ausfertigung die vortrefflichen Ausführungen von Laband,
Staatsrecht des Deutschen Reiches, 2. Aufl., Bd. 1, S. 523 ff. Gegen
die Unterscheidung im monarchischen Staate auch Seydel, Bayer.
St.-R., Bd. 3, S. 550, dafür Jellinek, Gesetz und Verordnung, S. 320.
11) Wenn Fricker, Die Verpflichtung des Kaisers zur Verkün-
digung der Reichsgesetze, Leipziger Dekanatsprogramm 1885, S. 16 ff.
gegen diese Auffassung den Einwand erhebt, erst durch die Verkündi-
JNung komme das Gesetz zur rechtlichen Eutstehung, könne also nicht
vorher schon rechtliche Wirkungen haben, so verwechselt er den Begriff
der Rechtsgültigkeit und der Rechtsverbindlichkeit. Das preußische Recht
unterscheidet beide Begriffe so scharf, daß es unter Umständen sogar
rechtsungültigen Gesetzen Rechtsverbindlichkeit beilegt. Vgl. 8 82. Zur
rechtlichen Entstehung gelangt ist das Gesetz bereits mit der Sanktion,
rechtsverbindlich wird es allein mit der Verkündigung. Daß der Mon-
arch ein bereits sanktioniertes Gesetz, von dessen Sanktion noch nie-
mand etwas weiß, zerreißen und die Sanktion demnächst verweigern kann,
ist denkbar. Diese Tatsache beweist doch aber unmöglich etwas für
die rechtliche Zulässigkeit einer solchen Handlungsweise. Mit demselben
Rechte könnte man behaupten, wenn Amtsrichter und Gerichtsschreiber
sich einigten, ein in Abwesenheit der Parteien verkündetes Urteil zu
vernichten, so sei dies rechtlich zulässig, weil es möglich sei. Anderer
Ansicht H. v. Schulze-Gaevernitz, Pr. St.-R., Bd. 2, S. 22
und D. St.-R., Bd. 1, S. 526; Seydel, Bayer. St.-R., Bd. 3,
S. 554, die erst mit der Verkündigung das Gesetz für zustande ge-
kommen erachten, Jellinek, a. a. O., S. 328, der die Erteilung
des Publikationsbefehls für entscheidend annimmt. Letzterer wird zeitlich
dohl stets mit dem Augenblicke der Sanktion zusammenfallen.
Bornbak, Dreußtsches Staatsrecht. 1. 2. Rufl. 34