Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

87 Die Zeit der Reformen u. der Revolution (1807—1848). 47 
setzte, sondern darin, daß man nur den Grundbesitz zur Vertretung 
gelangen ließ. Dieses System war berechtigt, wo wie bei der Natural- 
wirtschaft des Mittelalters jeder Besitz Grundbesitz war, nicht aber 
in einer Zeit, wo der Kapitalbesitz ihm gleichberechtigt zur Seite 
stand. Indem man also die Stände „im Geiste der älteren deutschen 
Verfassung“ gestaltete, vereinigte sich eine romantische Richtung des 
Staatsrechtes mit der Interessenpolitik des Großgrundbesitzes zur Bil- 
dung der psendohistorischen Stände. 
Nachdem man nach demselben Vorbilde auch die Kreisstände der 
einzelnen Provinzen gebildet hatte, geriet die neuständische Bewegung 
ins Stocken. Insbesondere kam die allgemeine Landesvertretung nicht 
zustande, augenscheinlich nicht aus Furcht vor den liberalen Bewe- 
gungen, von denen bei dieser Zusammensetzung der Stände nichts zu 
fürchten war, sondern vor den zentrifugalen Elementen in den ein- 
zelnen Provinzen, die erst durch eine einheitliche Verwaltung von 
jahrzehntelanger Dauer daran gewöhnt werden mußten, sich als Glieder 
eines Staatswesens zu betrachten. 
Erst unter König Friedrich Wilhelm IV. wurde das neuständische 
System seiner Vollendung entgegengeführt. Zunächst bestimmten acht 
Verordnungen vom 21. Juni 1842 die Bildung eines ständischen 
Ausschusses für jede Provinz, der in Zeiten, wo die Provinzialstände 
nicht versammelt wären, als deren Vertreter mit seinem Gutachten 
gehört werden sollte. Endlich erfolgte, veranlaßt durch die Notwendig- 
keit einer Anleihe für den Bau der Ostbahn, durch ein königliches 
Patent vom 3. Februar 1847 die Berufung sämtlicher Provinzialstände 
zu einem Vereinigten Landtage in Berlin. Ihm wurde beigelegt 
das Recht der Mitwirkung bei Aufnahme von Anleihen, der Zustim- 
mung bei Einführung neuer oder Erhöhung bestehender Abgaben, der 
Beirat beim Erlaß neuer Gesetze nach Maßgabe des Gesetzes vom 
5. Juni 1823, die Mitwirkung bei Verzinsung und Tilgung der 
Staatsschulden und des Petitionsrecht über innere, nicht bloß pro- 
vinzielle Angelegenheiten. 
Der Umfang der dem Vereinigten Landtage beigelegten Befug- 
nisse ging also weit über die früheren Zusicherungen hinaus, indem 
eine Einführung neuer oder eine Erhöhung bestehender Abgaben nur 
mit ständischer Zustimmung erfolgen konnte, wobei augenscheinlich die 
Erinnerung an das Stenerbewilligungsrecht der alten deutschen Stände
	        
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