546 Das Verfassungsrecht. 5 81
hörden nicht darum zu kümmern, daß sie durch Versagung der Geneh-
migung seitens des Landtages aufhört, rechtsgültig zu sein. Trotz der
nunmehr mangelnden Rechtsgültigkeit behält sie ihre Rechtsverbindlich-
keit, weil sie einmal gehörig verkündet ist, aber auch nur, wenn sie
dies ist. Die Versagung der Genehmigung ist also ein für die Frage
der Rechtsverbindlichkeit gleichgültiger Akt. Aus der Versagung auch
nur seitens eines Hauses erwächst für die Regierung die Verpflichtung,
die Notverordnung durch eine neue Verordnung außer Kraft zu setzen.
Erst wenn diese neue Verordnung gehörig verkündet ist, tritt die
Notverordnung außer Geltung.
Die Ansicht, wonach durch Versagung der Genehmigung die Not-
verordnung von selbst hinfällig wirdi#), da der Charakter der Ver-
ordnung ein durch die Genehmigung resolutiv bedingter sei, und ihre
Gesetzeskraft lediglich auf der Präsumtion des Einverständnisses des
Landtages beruhe, übersieht den entscheidenden Art. 106 der Ver-
fassungsurkunde. Hiernach sind auch rechtsungültige Verordnungen,
ihre gehörige Publikation vorausgesetzt, rechtsverbindlich. Ueber die
Rechtsverbindlichkeit entscheidet aber einzig und allein das formelle
Merkmal der Verkündigung. Dies wird jetzt auch bezüglich des Außer-
krafttretens nicht genehmigter Notverordnungen ziemlich allgemein an-
erkannti).
Es fragt sich endlich noch, ob die Versagung der Genehmigung
und die auf Grund dieser Tatsache gehörig verkündete Aufhebung der
Notverordnung eine rückwirkende Kraft hat, d. h. ob die Verordnung
auch für die unter ihrer Herrschaft stattgehabten Fälle, soweit sie noch
nicht erledigt sind, keine Geltung hatieo). Diese Frage ist zu verneinen.
Die Verordnung stützt sich nicht auf die Vermutung der Genehmigung
14) v. Gerber 8 47; v. Rönne, Pr. St.-R., Bd. 1, S. 376;
R. John, Rechtsgültigkeit und Verbindlichkeit publizierter Gesetze und
Verordnungen nach den Grundsäten des preußischen Staatsrechts in
Aegidis Zeitschr. für deutsches Staatsrecht, Bd. 1, S. 244 ff.
15) Zachariä 8160; H. v. Schulze-Gaecevernisß, Pr. St.-R.,
Bd. 2, S. 30; Dernburg, Preuß. Privatrecht, Vd. 1, § 16;
H. Schulze mit dem Ausdrucke des Bedauerns, daß die preußische
Verfassung so geringe Schutzwehren gegen etwaige Uebergriffe bietet.
10) Als Beispiel könnte man anführen eine Notverordnung, welche
eine anderweite Zusammenlegung der Grundstücke verordnet. Die auf
Grund der Notverordnung erworbenen Privatrechte bleiben auch nach
Aufhebung der Notverordnung bestehen.