Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

§ 82 Verkündigung und Verbindlichkeit der Gesetze. 549 
bestimmte, daß landesherrliche Erlasse, welche Gesetzeskraft erhalten 
sollen, sie nur durch die Aufnahme in die Gesetzsammlung 
bekommen, ohne Unterschied, ob sie für die ganze Monarchie oder 
einen Teil von ihr bestimmt waren. Soweit ein Gesetz über den 
Zeitpunkt seines Inkrafttretens nichts angeordnet hatte, trat die 
Verbindlichkeit mit Ablauf eines gewissen Zeitraumes nach Ausgabe 
des betreffenden Stückes der Gesetzsammlung ein. Dieser Zeitraum 
war je nach der Entfernung des betreffenden Regierungsbezirkes von 
Berlin verschieden festgesetzt und betrug in dem Regierungsbezirke 
Potsdam mit Berlin acht Tage, in den am weitesten entfernten Regie- 
rungsbezirken Königsberg und Gumbinnen sowie in der Rheinprovinz 
vierzehn Tage. Das Gesetz vom 10. April 18726) änderte dies dahin 
ab, daß in allen Fällen, in denen das Gesetz selbst über den Zeit- 
punkt seines Inkrafttretens nichts bestimmt hatte, die Verbindlichkeit 
mit dem vierzehnten Tage nach dem Ablaufe desjenigen Tages beginnen 
solle, an welchem das betreffende Stück der Gesetzsammlung in Berlin 
ausgegeben war. 
Die Frage, ob ein Gesetz gehörig verkündet ist, kann hiernach 
namentlich für die Zeit vor 1810 außerordentlich zweifelhaft sein. 
Da die Befolgung der damaligen Verkündigungsformen, wie Anschlag 
an öffentlichen Orten, Verlesung von der Kanzel, Einrückung eines 
Auszuges in die Intelligenzblätter, jetzt unmöglich mehr nachgewiesen 
werden kann, so muß man für jene Gesetze, um sie für rechtsverbind- 
lich zu erachten, von dem Erfordernisse des Nachweises der Verkündigung 
absehen. Es erscheint dies um so eher zulässig, als die damalige 
Verkündigung nicht wie die heutige einen Formalakt bildete, durch den 
allein die Verbindlichkeit des Gesetzes begründet wurde, sondern nur 
eine Vermutung für die Kenntnis des Gesetzes. Daß aber ein Gesetz 
vorliegt und als solches bekannt ist, muß für die Zeit bis 1810 ange- 
nommen werden, wenn es in der offiziösen Myliusschen Ediktensamm- 
lung oder deren Fortsetzungen aufgenommen ist. Für die Zeit von 
1811 bis 1846 ist allerdings das allein Entscheidende für die Verbind- 
lichkeit die Verkündigung im Amtsblatte. Wie aber ausdrücklich her- 
vorgehoben wird, begründet diese Verkündigung allein die Vermutung 
der Kenntnis, gegen welche kein Gegenbeweis zugelassen wird. Dagegen 
ist das Gesetz auch vor der Verkündigung im Amtsblatte verbindlich, 
  
%% G.-S. 1872, S. 357.
	        
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