Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

556 Das Verfassungsrecht. 8 83 
dernis ist aber, daß es wenigstens sich um eine königliche Verordnung 
handelt. Daß dies der Fall ist, wird erkennbar aus den Eingangs- 
worten: „Wir, der König, verordnen,“ der königlichen Unterschrift und 
der ministeriellen Gegenzeichnung, ohne welche eine königliche Regie- 
rungshandlung überhaupt nicht denkbar istu). 
Wohl aber haben die Gerichte Gesetze und Verordnungen daraufhin 
zu prüfen, ob sie nicht mit dem Reichsrechte in Widerspruch stehen 
einfach deshalb, weil sie das Reichsrecht anzuwenden haben und Reichs- 
recht dem Landesrechte vorgehttr). 
§ 83. Die Schranken der Gesetzgebung. 
Die Gesetzgebung bildet die Schranke der freien Regierungs- 
tätigkeit des Königs. Dieser ist die Regelung gewisser Gegenstände 
entzogen und der König dabei an die Mitwirkung des Landtages 
gebunden. Dadurch ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß an und für 
sich zum Gebiete der Regierung gehörende Gegenstände durch die Gesetz- 
gebung geregelt werden. Hierin liegt keine Beeinträchtigung der könig- 
lichen Regierungsrechte. Denn es ist die freie Willensentschließung 
des Königs, der das Gesetz seine Entstehung verdankt. Das Gebiet 
der Regierung wird damit allerdings dauernd verengert, indem das 
Gesetz nur durch Gesetz abgeändert werden kann. Die Regierung findet 
ihre Schranke in dem Gesetze, die Gesetzgebung aber nicht in der 
Regierung. Das Gebiet der Gesetzgebung kann sich auf dem bisher 
der Regierung zustehenden immer weiter ausbreiten und breitet sich 
erfahrungsgemäß immer weiter aus. Ebensowenig bildet die Justiz 
eine Schranke der Gesetzgebung. Der Richter hat das bestehende Recht 
anzuwenden. Die Gesetzgebung kann aber in diese Sphäre eingreifen, 
indem sie dem NRichter durch die authentische Interpretation eine 
bestimmte Art der Rechtsanwendung vorschreibt, indem sie neueren 
Anordnungen rückwirkende Kraft beilegt, und indem sie durch Sonder- 
11) Damit erledigt sich die Streitfrage, ob den Behörden nur 
die Prüsung der materiellen Gültigkeit entzogen, dagegen die der übrigen 
Formalien außer der Publikation belassen sei. Vgl. darüber E. A. Chr., 
Studien über das preußische Staatsrecht 1 in Aegidis Zeitschrift für 
deutsches Staatsrecht, Bd. 1, S. 179 ff. 
12) Uebereinstimmend Entsch, des Reichsgerichts im Plenum vom 
29. Mai 1901, Entsch, in Zivils. Bd. 48, S. 205.
	        
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