Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

566 Das Verfassungsrecht. g 84 
dem zur Zeit der Entstehung unserer heutigen Rechtsquellen gelten— 
den, mit dem Privatrechte eng verquickten Staatsrechte angehörte und 
gewisse privatrechtliche Wirkungen hatte. Auch in dem heutigen Privat— 
rechte ist der Privilegienbegriff ein geschichtlich überkommener ohne 
erheblichen juristischen Wert. 
4. Die Suspension der Gesetze, ihre zeitweise Aufhebung 
für gewisse Bezirke, hat denselben Charakter wie die Dispensation 
und das Privilegiunm. Eine mit dem Gesetze im Widerspruche 
stehende Suspension ist gleichbedentend mit seiner teilweisen Auf- 
hebung und kann deshalb nie durch einen Regierungsakt, sondern 
nur durch Gesetz erfolgen). Dieselbe Wirkung wie die Suspension 
durch Gesetz erreicht freilich die durch eine Notverordnung im Sinne 
des Art. 63 der Verfassungsurkunde angeordnete Aufhebung. Die 
Notverordnung steht jedoch in dieser Beziehung dem Gesetze vollständig 
gleich. Andererseits kann aber auch die Suspension durch das Gesetz 
selbst zugelassen sein. Der Suspensionsakt bildet hier einfach eine 
Ausführungsverordnung zu dem Gesetze. Diesen Fall, wo das Gesetz 
selbst die Suspension zuläßt, hat man gewöhnlich im Sinne, wenn 
man von einer Suspension des Gesetzes spricht. Die wichtigste Be- 
stimmung in dieser Beziehung ist der Art. 111 der Verfassungs- 
urkunde, welcher die Ermächtigung enthält, nach näherer Bestimmung 
des Gesetzes für den Fall eines Krieges oder Aufruhrs die Art. 5, 
6, 7, 27, 28, 29, 30 und 36 der Verfassungsurkunde zeil-- und distrikt- 
weise außer Kraft zu setzen. Das hier vorbehaltene Gesetz ist das 
am 4. Juni 1851 ergangene über den Belagerungszustand. Die er- 
wähnten Verfassungsbestimmungen sind nicht mehr in Kraft. Dies 
ändert jedoch an dem Charakter der Suspension nichts. Uebrigens 
bleibt sie zum Teil gegenüber den an die Stelle getretenen Reichs- 
gesetzen zulässig. Das Gesetz legt sich selbst nur eine beschränkte 
Geltung bei, indem es die Aufhebung einzelner seiner Bestimmungen 
unter gewissen Voraussetzungen durch Regierungsakt gestattet. Die 
Vollziehung dieser teilweisen Aufhebung steht daher nicht im Wider- 
spruche mit dem Gesetze, sondern ist im Gegenteile Ausführungs- 
verordnung dazu. 
11) Reichsrechtliches Beispiel: Die teilweise Suspension des gemeinen 
Vereins-, Versammlungs= und Preßrechtes für das ganze Reichsgebiet 
durch das Sozialistengesetz.
	        
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