Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

570 Das Verfassungsrecht. 8 65 
ihre rechtliche Zulässigkeit ist daher die durch die Rechtslogik mit 
Notwendigkeit geforderte Folge der Umgestaltung der bisherigen 
Gerichtsverfassung, der Verwandlung der Gerichte in landesherrliche 
Behörden. In den kleineren deutschen Gebieten, deren Landesherren 
es nicht gelang, den Einfluß ihrer Landstände zu brechen und die 
Abhängigkeit ihres Landes von den Reichsgerichten zu lösen, hielten 
aber Landstände und Reichsgewalt wenigstens nach Möglichkeit an 
der älteren Auffassung fest, daß eine Rechtsprechung durch den 
Landesherren persönlich eine rechtswidrige Handlungsweise sei. Die 
Notwendigkeit, die Unstatthaftigkeit der Kabinettsjustiz sich immer von 
neuem in den Landtagsabschieden verbürgen zu lassen, und die trotz- 
dem immer wiederkehrenden Versuche einer persönlichen Rechtsprechung 
durch den Landesherren, von der die ältere Zeit keine Spuren zeigt, 
beweist aber aufs deutlichste, daß die Ausschließung des Landesherren 
von der persönlichen Rechtsprechung in den veränderten Rechtszuständen 
keinen Boden mehr fand, sondern nur durch äußere Machtmittel 
künstlich aufrecht erhalten wurde. 
Mehr als anderswo in Deutschland war in Brandenburg-Preußen 
die Einwirkung der Stände auf die öffentlichen Angelegenheiten be- 
seitigt, mehr als in jedem anderen deutschen Staate außer Oesterreich 
das Verhältnis zur Reichsgewalt gelockert. Die neue Rechtsanschauung, 
daß alle Rechtsprechung ausgehe vom Landesherren, daß alle richter- 
lichen Behörden nur landesherrliche Organe seien, die persönliche Ent- 
scheidung des Landesherren daher an die Stelle derjenigen seiner 
Organe treten könne, mußte daher in Brandenburg-Preußen mit einer 
Entschiedenheit zum Durchbruche kommen wie nirgends sonst. 
Bereits seit Anfang des 16. Jahrhunderts ist die Zulässigkeit 
der Kabinettsjustiz ein Hauptgrundsatz des brandenburg-preußischen 
Staatsrechtes. Das Recht des Landesherren, die Gerichte zu organi- 
sieren, ergibt sich einzig und allein daraus, daß der Landesherr die 
Quelle der Rechtsprechung ist. Die höchsten preußischen Gerichte, das 
Kammergericht und der Geheime Justizrat, haben sich geradezu ent- 
wickelt aus der persönlichen Gerichtsbarkeit des Kurfürsten. Als die 
Hofgerichte den Charakter landesherrlicher Behörden angenommen 
hatten, beanspruchte der Kurfürst für sich das Recht, Beschwerden über 
die Rechtsprechung dieser seiner Behörden zu entscheiden, d. h. eine 
höhere Instanz über ihnen zu bilden. Derartige Beschwerden pflegte 
er mit Zuziehung der am Hofe befindlichen Räte in seiner Kammer
	        
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