Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

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572 Das Verfassungsrecht. 9 85 
Rechtsprechung nichts zu schaffen, weil er nicht den Staat in sich 
verkörpert, sondern nur das mit der Exekutive betraute Organ des 
Staates ist. 
Diese Auffassung der Aufklärungsphilosophie von der Recht- 
sprechung sucht sich nun in Preußen Eingang zu verschaffen bei der 
Abfassung des A. L.-R. Auf Grund der Lockeschen Philosophie unter- 
nahmen es die leitenden Kreise des preußischen Juristenstandes im 
Bunde mit der herrschenden öffentlichen Meinung, die Rechtsprechung 
ausschließlich für die Gerichte zu beanspruchen und die persönliche 
Beteiligung des Königs bei ihr gesetzlich auszuschließen. Bekannt- 
lich war aber die Bestimmung in der Einleitung des Allgemeinen 
Gesetzbuches, welche königliche Machtsprüche für rechtswidrig erklärte, 
der hauptsächlichste Grund für die Suspension des Gesetzbuches"). Der 
Versuch, die mit den obersten Grundsätzen des preußischen Staats- 
rechtes völlig unvereinbare Lehre von der Teilung der Gewalten 
wenigstens teilweise aufzunehmen, war somit gescheitert. Das A. L.-R. 
enthält keine Bestimmung, welche die königliche Rechtsprechung für 
unzulässig erklärt. Da im Gegenteile nach ihm sich alle Rechte und 
Pflichten des Staates im Könige vereinigen, so ist damit die bis zu 
seinem Erlasse bestehende Kabinettsjustiz nicht nur nicht beseitigt, son- 
dern ihr weiterer Bestand von neuem anerkannt. Es blieb daher 
das Recht des Königs, persönlich in sonst vor die Gerichte gehörenden 
Sachen eine Entscheidung zu treffen, bis zum Jahre 1848 unberührt. 
Mit dem Uebergange Preußens zum konstitutionellen Systeme 
taucht von neuem der Versuch auf, die Lehre von der Teilung der 
Gewalten in das preußische Staatsrecht zu übernehmen. Wie aber 
dem Könige das Recht der Gesetzgebung nach der Verfassungsurkunde 
verblieb, nur die Ausübung des Rechtes gewissen Beschränkungen 
unterworfen wurde, so ist der Grundsatz des bis 1848 geltenden 
preußischen Staatsrechtes, daß die richterliche Gewalt dem Rechte nach 
dem Könige zustehe, auch durch die Verfassungsurkunde nicht auf- 
gehoben. Nur die Ausübung der richterlichen Gewalt durch den König 
hat eine gesetzliche Regelung erfahren. 
  
4) Vgl. über diese Vorgänge die Darstellung bei Stölzel, Karl 
Gottlieb Svarez, Berlin 1885, S. 229 ff.
	        
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