Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

56 Grundzüge der Verfassungsgeschichte. X 
die Erweiterung des Rechtsweges. Charakteristisch ist es für diesen 
ersten schüchternen Versuch, der in vollem Widerspruche stand mit 
den Bestrebungen der vorhergegangenen Reaklionszeit, daß man keine 
besonderen Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes herstellte, für welche 
eine ausreichende Tätigkeit nicht vorhanden gewesen wäre, sondern 
diese Rechtsprechung den ordentlichen Gerichten übertrug. Im wesent- 
lichen beschränkt sich die sogenannte Erweiterung des Rechtsweges auf 
folgende Punkte. Den Beamten, welche in der Reaktionszeit in voll- 
ständige Abhängigkeit von den Ministerien gestellt, zum Teil sogar 
für beliebig zur Disposition stehend erklärt waren, wird wenigstens 
eine vom Parteistandpunkte unabhängige Prüfung ihrer vermögens- 
rechtlichen Ansprüche gesichert. Es wird daher für Forderungen der 
Beamten aus ihrem Dienstverhältnisse, insbesondere auf Besoldung, 
Pension oder Wartegeld, unter gewissen Voraussetzungen der Rechts- 
weg für zulässig erklärt. Der Rechtsweg findet ferner statt in ge- 
wissem Umfange auf dem Gebiete des Steuerwesens bei allgemeinen 
Anlagen auf Grund der Behauptung, daß die einzelne Forderung 
bereits früher getilgt oder verjährt, oder daß die Abgabe privat- 
rechtlicher Natur sei, in noch weiterem Umfange bei Stempelsachen. 
Der weitere Ausbau des Rechtsstaates wurde jedoch unterbrochen 
durch den infolge der Armecorganisation entstandenen Verfassungs- 
konflikt zwischen der Regierung und dem Abgeordnetenhause. Die 
Veranlassung des Konfliktes bestand darin, daß die Regierung bei 
Gelegenheit der Mobilmachung des Jahres 1859 eine Erhöhung der 
Präsenzstärke und der Kadres des Heeres, sowie eine anderweite Re- 
gelung der Reserve= und Landwehrdienstpflicht vornahm. Die Regie- 
rung sah diese Einrichtung als eine dauernde, das Abgeordneten- 
haus nur als eine vorübergehende an. Daher bewilligte es auch die 
Kosten nur provisorisch und setzte sie 1862 vom Budget ab. Während 
die Rechtsfrage sich tatsächlich darum drehte, ob eine Erhöhung der 
Präsenzstärke und der Kadres im Wege der Verordnung zulässig sei 
oder nur durch die Gesetzgebung, eine Frage, die allerdings zweifel- 
haft ist, aber nach Lage des damaligen Rechtes zugunsten der Ver- 
ordnung beantwortet werden muße), steifte sich das Abgeordnetenhaus 
lediglich auf sein vermeintliches Budgetrecht. Durch Absetzung der 
Ausgaben für den erhöhten Präsenzstand nahm das Abgeordnetenhaus 
2) Vgl. 8 30.
	        
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