Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

89 Preußen als Glied des Bundesstaates (1867 bis jetzt). 57 
ein unbedingtes Ausgabebewilligungsrecht für sich in Anspruch. Da- 
mit ersetzte es die klaren Bestimmungen der preußischen Verfassungs- 
urkunde durch die konstitutionellen Lehren Montesquieus und Ben- 
jamin Constants, die in den romanischen Ländern gesetzliche An- 
erkennung gefunden hatten, aber dem preußischen Staatsrechte stets 
fremd geblieben waren. Der Kampf, der sich hieraus entwickelte, 
war im wesentlichen eine Machtfrage, die durch den Erfolg, den Aus- 
gang des Krieges von 1866, zugunsten der Regierung entschieden 
wurde. 
Die Beilegung des Konfliktes erfolgte gleich nach Beendigung des 
Krieges. Die Thronrede vom 5. August 1866 erkannte an, was all- 
seitig unbestritten war, daß die Staatsausgaben der letzten Zeit der 
gesetzlichen Grundlage des Art. 99 der Verfassungsurkunde entbehrten. 
Ohne weiter zu untersuchen, wen die Schuld an diesem verfassungs- 
widrigen Zustande traf, wurde die Erwartung ausgesprochen, die 
Landesvertretung werde die Indemnität, um die sie angegangen 
werden solle, erteilen, also mit anderen Worten die gemachten Aus- 
gaben nachträglich genehmigen, wie dies auch sonst bei über den Etat 
hinaus geschehenen Ausgaben allgemeines Herkommen ist. Die In- 
demnitätsvorlage der Staatsregierung wurde demnächst angenommen 
und damit der Verfassungskonflikt beendet. 
8 9. VIII. Preußen als Glied des Bundesstaates 
(1867 bis jetzt). 
Infolge der kriegerischen Ereignisse des Jahres 1866 erfuhr das 
preußische Staatsgebiet die letzte bedeutende Erweiterung. Durch 
Gesetz vom 20. September 1866 wurden der preußischen Monarchie 
folgende eroberte, bisher selbständige Staaten einverleibt: 1. das 
Königreich Hannover (698,75 Quadratmeilen), 2. das Kurfürsten- 
tum Hessen (174,105 Quadratmeilen), 3. das Herzogtum Nassau 
(85,5 Quadratmeilen), 4. die freie Stadt Frankfurt. Das Gesetz vom 
24. Dezember 1866 vereinigte ferner mit Preußen: 1. die im Wiener 
Frieden vom 30. Oktober 1864, Art. III, an Preußen und Oester- 
reich gemeinsam und von letzterem im Prager Frieden vom 23. August 
1866, Art. V, an Preußen allein überlassenen Herzogtümer Schleswig 
und Holstein (317,65 Quadratmeilen), von denen ein kleiner Bezirk 
demnächst an Oldenburg abgetreten wurde; 2. einige im preußisch-
	        
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