58 Grundzüge der Verfassungsgeschichte. § 9
bayerischen Friedensvertrage vom 22. August 1866 und im preußisch-
hessischen Friedensvertrage vom 3. September 1866 an Preußen ab-
getretene Gebiete, namentlich die bisher bayerischen Gebietsteile Gers-
seld, Orb und Kaulsdorf, die Landgrasschaft Hessen-Homburg und
die bisher hessischen Gebiete Kreis Biedenkopf, Kreis Vöhl und ein
Teil des Kreises Gießen. Die Aufgabe der preußischen Verwaltung
in den nächsten Jahren wurde es, diese neuen Erwerbungen unter
Schonung ihrer Eigentümlichkeiten einerseits, aber auch unter steter
Berücksichtigung der Interessen der gesamten Monarchie andererseits
durch die Verwaltung mit den alten Provinzen innerlich zu ver-
schmelzen. Auf diese Entwicklung ist jedoch hier nicht näher einzu-
geheni). Endlich wurde 1876 das schon seit 1865 in Personalunion
zu Preußen stehende Herzogtum Lauenburg dem Staatsgebiete förm-
lich einverleibt.
Von weit größerer Bedeutung als die Einverleibung der neuen
Provinzen war jedoch für das preußische Staatsrecht der Eintritt
Preußens in den Norddeutschen Bund und dessen Rechtsnachfolger,
das Deutsche Reich. Die wichtigsten Rechte der Staatsgewalt gingen
dadurch von Preußen auf das Reich über. Der staatlichen Wirksam-
keit Preußens sind durch das Reich enge Grenzen gezogen, wie sie
unter dem alten Reiche für das brandenburg-preußische Staatswesen
nie bestanden haben. Allerdings sind diejenigen Rechte, die das
preußische Königstum verloren hat, zumeist Rechte des damit untrenn-
bar verbundenen deutschen Kaisertums geworden. Aber der preußische
Staat als solcher vereinigt in sich nicht mehr dic volle Staatsgewalt,
nur auf einem kleinen Gebiete ist er selbständig, auf einem größeren
ist er ausführendes Organ des Reiches, ein drittes ist ihm ganz
entzogen.
Auf dem Gebiete des Auswärtigen ist das Recht, Krieg zu er-
klären und Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Verträge
namens des Reiches einzugehen, dem Kaiser beigelegt. Das Vertrags-
recht der Einzelstaaten ist nicht aufgehoben, aber auf ein sehr enges
Gebiet beschränkt. Was die Organe des völkerrechtlichen Verkehrs
betrifft, so ist dem Reiche die Befugnis eingeräumt, Gesandte abzu-
senden und zu empfangen. Das Gesandtschaftsrecht ist zwar keinem
1) Vgl. hierüber die kurze Darstellung bei Bornhak, Preußische
Staats- und Rechtsgeschichte, S. 483 ff.