66 Allgemeine Lehren. § 10
Herren, der ihm nichts zu befehlen hatte, erklärte:), so waren dies
beides doch nur verschiedene Betrachtungsweisen desselben Ergebnisses,
nämlich der auf naturrechtlicher Grundlage gewonnenen Einheit der
Staatspersönlichkeit. Das prenßische Landrecht folgt, ohne Vertrags-
staat und Volkssouveränetät gesetzlich festzustellen, der Auffassung
Friedrichs des Großen. Nach § 1 II, 13 vereinigen sich alle Rechte
und Pflichten des Staates gegen seine Bürger und Schutzverwandten
in dessen Oberhaupte.
Die uralte dualistische Auffassung des Germanentums von Obrig-
keit und Volk verknüpft sich nun mit dem naturrechtlichen Gedanken
der Einheit der Staatspersönlichkeil zu etwas drittem in der neueren
deutschen Staatslehre. Als Subjekt und Inhaber der Staatsgewalt
gilt der Staat selbst, damit ist die Einheit der Staatspersönlichkeit
behauptet. Dieser Staat hat aber in seiner konstitutionellen Form
zwei oberste Organe, Monarch und Volksvertretung, damit bricht
wieder die dualistische Staatsauffassung des Germanentums durch.
Hiermit glaubt man noch den besonderen Vorteil errungen zu haben,
den die moderne Kulturwelt durchziehenden Gegensatz von monarchischer
Souveränelät und Volkssonveräuetät überbrücken zu können in einer
höheren Einheit, der der Staatssouveränetät. In dem monarchischen
Staate soll der Monarch zwar alle Rechte der Staatsgewalt in sich
vereinigen, aber doch nur das Organ einer von ihm verschiedenen
Staatspersönlichkeit sein.
Diese Konstruktion moderner Begriffsjurisprudenz hilft aber doch
nicht darüber hinweg, daß der Staat nur eine Abstraktion aus
gegebenen Machtverhältuissen ist, und hinter jeder Macht Menschen
stehen müssen. Der Monarch mil allen Rechten der Staatsgewalt
ausgestattet, aber doch nur ein Organ des Staates, befindet sich auf
derselben Stuse wie der friderizianische Diener des Staates, eines
Herren, der seinem Diener nichts zu sagen hatte, weil der Diener
das gesamte Herrenrecht in sich verkörperte.
Der Staat ist eine menschliche Organisation. Jede Organisation
von Menschen, ob auf organischem Wachstum oder zweckbewußtem
Handeln beruhend, ist nur möglich auf einer zwiefachen Grundlage,
2) Auch H. Schulze, Pr. St.-R., Bd. 1, S. 152 mißt jenem Satze
Friedrichs des Großen zwar eine hohe ethische, aber keine juristische Be-
deutung bei, da der König eben nicht Staatsdiener sei.