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preußische Staat ist ein beschränkt-monarchischer Staat oder eine
konstitutionelle Monarchie, und er ist Glied eines größeren Gesamt—
staates, des Deutschen Reiches. Das Wesen der konstitutionellen Mon-
archie Preußens im Gegensatze zu anderen Staatsformen ist Gegen-
stand der Darstellung des Verfassungsrechtes überhaupt. Es ist daher
nur noch zu untersuchen, welchen Einsluß die Zugehörigkeit zum
Deutschen Reiche auf die staatsrechtliche Individnalität des vreußischen
Staates ausübt.
Der preußische Staat hat in allen seinen Teilen nur kurze Zeit
eine rechtlich unbedingt anerkannte Unabhängigkeit genossen. Bis zum
Untergange des alten Reiches gehörte der größte Teil des Staats-
gebietes zum heiligen römischen Reiche deutscher Nation. Nur Preußen
und die ehemals polnischen Landesteile waren unbestritten vollkommen
souverän, das Verhältnis Schlesiens zum Reiche blieb dagegen sehr
zweifelhaft. Bei der Schwäche der Reichsgewalt seit dem Westfälischen
Frieden, namentlich gegenüber den größeren weltlichen Staaten, war
jedoch deren Abhängigkeit vom Reiche fast nur nominell:). Die
Reichsverbindung gewährte dem Könige von Preußen gewisse Rechte
auf die Leitung des Reiches und damit auf seine schwächeren, noch
mehr unter dem Reichseinflusse stehenden Mitstände. Dagegen ist
andererseits eine Einwirkung des Reiches auf die preußischen Gebiete
kaum mehr sichtbar. Nur insofern äußerte sie sich noch, als das
Reich keinen preußischen Einheitsstaat, sondern lediglich einzelne unter
dem Könige von Preußen durch Personalunion verbundene Gebiete
kannte und somit die rechtliche Verschmelzung des Gesamtstaates zum
Einheitsstaate hinderte. Da jedoch tatsächlich diese Verschmelzung seit
Friedrich dem Großen vollendet war, konnte die rechtliche Form
gleichgültig erscheinen.
Annalen 1876, S. 641 ff.; G. Meyer a. a. O. S. 661 ff.; Häuel
a. a. O., 1877, S. 78 ff.; Jelliuck, Lehre von den Staatenver-
bindungen, Wien 1882; Bric, Theorie der Staatenverbindungen,
Breslau 1883; v. Rönne-Zorn, Pr. St.-N., Bd. 1, S. 118 ff.:
H. Schulze-Gaevernitz, Pr. St.-R., Bd. 2, S. 567 ff. Weitere
Literaturangaben bei Laband a. a. O.
2) Das Allgemeine Landrecht erwähnt das Reich nur noch an zwei
untergeordneten Stellen I, 11, § 1026 und lI, 11, § 1078. Dagegen
spricht es nicht von „Staaten“, sondern nur vom „Staate“ schlecht-
hin, vgl. z. B. 8 1 II, 13.